GIGA Focus Africa
Number 3 | 2018 | ISSN: 1862-3603
The people of central Africa are revolting against their autocratic rulers, economic stagnation, and rampant insecurity. While most protest movements remain peaceful, more and more violent actors are joining the fold to force regimes to reform their power structures. In-depth knowledge of the situation on the ground is needed to provide positive incentives for a peaceful way forward.
A major similarity between the central African countries – Cameroon, Central African Republic (CAR), Chad, Democratic Republic of the Congo (DRC), Equatorial Guinea, Gabon, Republic of the Congo – is their autocratic regime structures. Of these countries, only the CAR’s president came to power through relatively free and fair elections. All the other presidents of the region can be labelled “autocrats.” Many of them have held on to power for decades, and in some instances the reins have even been passed from father to son.
Nevertheless, the protests should not be mistaken simply for democratic movements. As in all political upheavals, diverse motivations have coincided. Frustration over bad governance has combined with discontent over personal economic circumstances and the low quality of public goods, such as education and health.
Most protests are driven by civilian groups and remain peaceful save for a few violence-prone actors. However, enduring frustration can increase public support for armed actors. This trend can be observed in Cameroon, the DRC, and the CAR. A similar escalation in the remaining countries cannot be ruled out either.
Political stagnation, poor living conditions, and numerous conflict hotspots are fuelling the current revolts. However, there are three ways to positively impact the situation on the ground: first, by strengthening internal democratic institutions, such as free elections; second, by cooperating with a range of actors besides the government, such as the opposition and civil society groups; and third, by strengthening peaceful movements and including them in reform processes.
Zentralafrika wird seit dem Jahr 2016 zunehmend von heftigen Protesten durchzogen. Politische, ökonomische und Sicherheitsinteressen sind miteinander verflochten. Oppositionelle Kräfte prangern ihre nationalen Regierungen an und diese reagieren wiederum mit enormer Repression. Der Aufruhr in Zentralafrika wird in nächster Zeit nicht abebben. Im Gegenteil, anstehende Wahlen und bewaffnete Konflikte deuten auf eine zunehmende Eskalation hin. Umso wichtiger wird es, die Proteste zu verstehen, sie in ihren politischen Kontext einzubetten und Lösungsansätze aufzuzeigen. In dieser Analyse untersuche ich daher nationale Besonderheiten der Protestbewegungen und regionale Gemeinsamkeiten.
Die Proteste der anglophonen Region in Kamerun und jene der oppositionellen Kräfte der DRK stehen aufgrund der Größe und Relevanz der beiden Länder am stärksten im Fokus der Weltöffentlichkeit. Nicht weniger relevant sind jedoch spontane Proteste gegen die VN-Mission in der ZAR, welche sich mit der allgemeinen Bürgerkriegsgemengelage vermischen. Im Tschad und der Republik Kongo werden die jüngsten politischen und ökonomischen Proteste massiv unterdrückt und wurden somit (noch!) relativ klein gehalten. Gabun und Äquatorialguinea schließlich erfahren Aufstände gegen ihre jeweiligen Herrscherdynastien, die Demonstrationen wiederum unterdrücken.
Drei Kernthemen springen bei dieser Länderübersicht ins Auge. Erstens, der lauter werdende Ruf nach Regierungswechsel. Dieser ist nicht notwendigerweise Ausdruck des Wunsches nach einer westlichen Demokratie. Die derzeitigen Regierungen haben jedoch versagt, die Lebensumstände der Menschen signifikant zu verbessern. Große Teile der Bevölkerung verlangen einen Wandel, um unter neuer Führung ihren diversen Bedürfnissen nach persönlicher Freiheit, kultureller Anerkennung oder ökonomischer Verbesserung nachzukommen (Foran 2005; Jaclyn und Clayton 2016). Der mit Protesten herbeigeführte Regimewechsel in Burkina Faso kann hierbei als innerafrikanisches Vorbild dienen (Zeilig 2017; Harsch 2016). Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass, zweitens, ökonomische Faktoren, wie bei den meisten Revolten, eine zentrale Rolle spielen (Skocpol 1979). Der Ruf innerhalb der Protestbewegungen nach der Erfüllung von Grundbedürfnissen wird häufig spontan artikuliert und von der internationalen Presse kaum aufgegriffen. Drittens spielen die Proteste sich in einer extrem konfliktbehafteten Weltregion ab, sodass Bewaffnete auf Seiten von Rebellen und Militärs die Aufstände für ihre Zwecke zu manipulieren versuchen (Buterbaugh, Calin und Marchant-Shapiro 2015; de Bruijn und Both 2017). Die Grenzen zwischen zivilem und bewaffnetem Widerstand sind in vielen der beobachteten Länder fließend, manche Proteste sind gewaltvoll, andere (noch) friedlich.
Als Zentralafrika werden in den folgenden Ausführungen die Länder der Zentralafrikanischen Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (Communauté Économique et Monétaire de l'Afrique Centrale, CEMAC) sowie die Demokratische Republik Kongo aufgrund ihrer geografischen Lage im Zentrum Afrikas und ihren engen wirtschaftlichen und politischen Verflechtung mit den CEMAC-Ländern definiert. Die gewalttätigen Proteste in Kamerun basieren auf dem kolonialen Erbe: Nach dem Ersten Weltkrieg ging die ursprünglich deutsche Kolonie Kamerun in den Besitz des Völkerbundes über. Infolgedessen wurde Kamerun in zwei Mandate aufgeteilt: Der westliche Teil des heutigen Kameruns mit etwa 20 Prozent der Bevölkerung wurde zu britischem (und somit englischsprachigem) Mandatsgebiet, während der große Rest des Landes von Frankreich verwaltet wurde. Seit der Unabhängigkeit waren die Bedingungen des Zusammenlebens seiner zwei unterschiedlichen Teile nie endgültig geklärt worden. Ende des Jahres 2016 regte sich dann lauter, friedlicher Protest von Gerichtsangestellten und Lehrkräften, die gegen die Dominanz der französischen Sprache in ihren Berufen demonstrierten (Atabong 2018). Die Regierung in der frankophonen Hauptstadt Jaunde antwortete mit heftiger Repression, was eine Spirale der Eskalation einleitete. Protestbewegungen wurden lauter und teils auch gewalttätig, während die Regierung Oppositionsparteien und -bewegungen verbot und Anfang des Jahres 2017 sogar für drei Monate das Internet abschaltete. Die anglophonen Oppositionsbewegungen riefen wiederholt dazu auf, an Montagen alle Geschäfte und Dienstleistungsgewerbe zu schließen, um eine Geisterstadt zu kreieren. Wieder war die Antwort brutale Repression, verbunden mit vielen Toten. Ab September startete eine gewalttätige Sezessionsgruppe Angriffe auf Polizei und Militär und rief im Oktober 2017 die Unabhängigkeit „Ambazonias“ aus. Als Sicherheitskräfte Unabhängigkeitsproteste niederschlugen, starben 17 Menschen. Seit Anfang des Jahres lässt Präsident Paul Biya sich zögerlich auf einen Dialog ein und es werden weniger Auseinandersetzungen verzeichnet. Die Lage droht jedoch bald wieder zu eskalieren, da Ende des Jahres Wahlen stattfinden sollen und diese im autoritären Kamerun regelmäßig manipuliert werden. Auch bleibt völlig ungeklärt, wie die Nachfolge für den bereits 85-jährigen Paul Biya auf demokratischem oder auch nichtdemokratischem Weg entschieden werden soll. Die Verbriefung von anglophonen Rechten ohne eine Umgestaltung des autoritären Regimes an sich, scheint den Demonstranten nicht mehr zu genügen (Letsa 2017).
In der Demokratischen Republik Kongo richten sich die Proteste gegen Präsident Joseph Kabila, der seit Ende des Jahres 2016 wiederholt Präsidentschaftswahlen verschoben hat, um so über sein Mandat hinaus im Amt bleiben zu können. Nach erheblichem internen und externen Druck schloss die Regierung mit der größten Oppositionspartei ein „power-sharing“ (Machtteilung) Abkommen, in dem sie der Opposition zumindest den Premierministerposten überließ. Nach dem Tod des Oppositionsführers Etienne Tshisekedi im Februar 2017 spaltete sich die Opposition jedoch, was der Präsident gezielt auszunutzen wusste, um einen Gegenkandidaten innerhalb der Opposition als Premier zu ernennen. Demonstrationen wurden das ganze Jahr über und in vielen Regionen des Landes von Jugendbewegungen, zivilgesellschaftlichen und der katholischen Kirche nahestehenden Gruppen organisiert. Während die Demonstranten weitgehend friedlich blieben, reagierten die Sicherheitskräfte der Regierung mit enormer Brutalität (ICG 2017). Ländliche Milizen, vor allem im Osten der DRK, erweitern ihren Einfluss in dem seit Jahren von Konflikten geprägten Land, indem sie die Schwäche der Regierung ausnutzen und die unzufriedene Bevölkerung gegen die Regierung mobilisierten. Die Präsidentschaftswahlen wurden mittlerweile (auch auf Druck der USA und anderer externer Mächte) für Dezember 2018 festgesetzt (ICG 2018). Eine Zunahme der Proteste vor den Wahlen wird erwartet, da Manipulation zu befürchten ist.
Die Akteure und Ziele der Proteste in der Zentralafrikanischen Republik lassen sich nur schwer einordnen. Im Gegensatz zu dem Ruf nach anglophonen Rechten in Kamerun und dem Rücktritt von Präsident Kabila in der DRK, entstammen die Proteste in der ZAR einer allgemeinen Frustration über die andauernde Gewalt im Land (Mehler i.E.). Teils äußert sich dieser Frust gegenüber der eigenen Regierung, die zwar durch vergleichsweise demokratische Wahlen an die Macht kam, aber seitdem keine Verbesserung der Sicherheitslage oder Lebensumstände erreichen konnte. Weiterhin bekämpfen sich Anti-Balaka-Milizen und Splittergruppen der ehemaligen Séléka-Rebellion. Was für den Außenstehenden als inter-religiöser Konflikt erscheint, ist für die Menschen vor Ort die Frage der Marginalisierung. Noch häufiger als gegen die eigene Regierung demonstrieren lose Gruppierungen gegen die VN-Mission: Sie werfen den Truppen vor, sich hinter ihren Mauern zu verstecken, anstatt Sicherheit herzustellen. Paradoxerweise protestieren Gruppen sowohl gegen die Passivität der VN-Truppe als auch gegen bestimmte Interventionen der VN-Mission, wie jüngst im April. Dieses Paradox lässt sich durch zwei Faktoren erklären: Erstens, haben sich die VN seit den Skandalen um sexuellen Missbrauch durch VN-Angehörige der letzten Jahre stark aus dem alltäglichen Leben zurückgezogen. Sie sind somit nicht mehr in die lokale Gesellschaft eingebettet und können deswegen ihre Interventionen selten passgenau auf Gewalttäter ausrichten (wodurch zivile Opfer entstehen) und die Bevölkerung häufig den Ablauf und Sinn solcher Interventionen missversteht (Glawion und de Vries i.E.). Hinzu kommt, zweitens, dass bewaffnete Gruppen die Bevölkerung manipulieren, indem sie Gerüchte streuen, dass die VN-Truppe bestimmte Bevölkerungsgruppen pauschal verfolgt und manche Rebellengruppen sogar mit Waffen unterstützt. Die große Anzahl von Gewaltakteuren in der ZAR führt zu einer Zunahme von Konflikten. Da bewaffnete Gruppen nun verstärkt mittels Protesten versuchen zu mobilisieren wird die Spannung im Jahr 2018 voraussichtlich noch weiter ansteigen.
Im Tschad verbinden sich zwei Protestgründe: die Frustration über die fünfte (und manipulierte) Wiederwahl von Präsident Idriss Déby sowie der Rückgang von Subventionen für Primärgüter. In dem stark von Erdöleinnahmen abhängigen Land trat aufgrund des internationalen Ölpreisverfalls die extreme Misswirtschaft der Regierung akut zutage. Zunächst mobilisierten Oppositionsgruppen und zivilgesellschaftliche Bewegungen gegen die Wiederwahl von Präsident Déby im Jahr 2016. Im darauffolgenden Jahr, nachdem Déby wiedergewählt worden war, richteten sich Gewerkschaften mit Streiks gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. Demonstrationen wurden von den Sicherheitskräften gewalttätig niedergeschlagen. Im Juni 2017 demonstrierten selbst Soldaten, um Gehaltsrückstände einzufordern. Beide Faktoren, Politik und Wirtschaft, könnten sich in den bevorstehenden Parlamentswahlen wechselseitig verstärken und somit hohe Spannungen erzeugen.
Auch in der Republik Kongo kommen ökonomische und politische Protestgründe zusammen. Kleinere und mittlere Demonstrationen richteten sich über drei Jahre hinweg zunächst gegen die Verfassungsänderung des Jahres 2015, welche Präsident Sassou-Nguesso weitere Amtszeiten ermöglichte, dann gegen seine Wiederwahl im Jahr 2016 und schließlich gegen die manipulierten Parlamentswahlen im Jahr 2017 (Carter 2017). Auch die Republik Kongo wurde vom Ölpreisverfall hart getroffen und somit richten sich die Proteste auch gegen verschlechterte Lebensbedingungen. Insgesamt sind die Proteste jedoch von vergleichsweise geringem Ausmaß, da die Opposition keine gemeinsame Linie findet und keine klare Alternative präsentiert – sicherlich auch, weil die Regierung Spaltungen gezielt ausnutzt.
Seit die Präsidentschaftswahlen in Gabun im Jahr 2016 im Sinne von Amtsinhaber Ali Bongo Ondimba manipuliert wurden, kam es zu heftigen Protesten gegen das Wahlergebnis, welche gewalttätig niedergeschlagen wurden. Auch Gewerkschaften und öffentliche Angestellte riefen im Jahr 2017 wiederholt zu Streiks auf. Die eigentlich für das Jahr 2016 angedachten Parlamentswahlen wurden wiederholt verschoben. Möglicherweise werden sie noch dieses Jahr stattfinden und bei entsprechender Manipulation erneut Anstoß zu einer Eskalation von Protesten und Repression sein. Die Lage in Äquatorialguinea ähnelt jener in Gabun: beide Länder sind relativ klein, haben große Ressourcenvorkommen im Verhältnis zur Bevölkerungsgröße (aufgrund des jüngsten Ölpreisverfalls gingen die Einnahmen jedoch massiv zurück) und werden seit Jahrzehnten von je einer Familiendynastie regiert. In beiden Ländern versucht die Opposition vergeblich gegen die wohlhabenden, dynastischen Regime vorzugehen.
Während in Gabun die Machtübergabe schon vor zehn Jahren erfolgreich vom Vater zum Sohn verlief, ernannte Präsident Teodore Obiang Nguema Mbasogo in Äquatorialguinea jüngst seinen Sohn zum Vizepräsidenten, um ebenfalls die Macht weiterzureichen. Im Jahr 2017 kam es (wieder während Wahlen) zu Protesten und Streikaufrufen. Die wichtigste Oppositionspartei wurde Anfang des Jahres 2018 aufgelöst, da sie angeblich ein Sicherheitsrisiko darstellte. Jedoch werden andere Gruppierungen die Aufstände womöglich weiterführen, bis sich ein Regimewechsel vollzieht und die enormen Ressourcen des Landes im Sinne der Bevölkerung genutzt werden.
Eine wesentliche Gemeinsamkeit der Länder der zentralafrikanischen Region ist die autokratische Regimestruktur. Von all den beschriebenen Ländern ist der Präsident der ZAR der einzige, der durch relativ freie und faire Wahlen an die Macht kam. Alle anderen derzeitigen Präsidenten dieser Region können als Autokraten bezeichnet werden. Viele von ihnen halten sich seit Jahrzehnten an der Macht, teils wurde die Macht sogar vom Vater zum Sohn weitergereicht. Die Präsidenten der Region halten sich insbesondere durch eine Rentierstaatsökonomie an der Macht. Das bedeutet, sie erkaufen sich mittels Ressourceneinkommen die Loyalität der Bevölkerung und finanzieren gleichzeitig einen starken repressiven Apparat, der Proteste unterdrückt (Basedau und Lay 2009). Die Wertungen des Freedom House Index fallen dementsprechend schlecht aus. Selbst die ZAR schneidet aufgrund der mangelnden Fähigkeit der Regierung Freiheitsrechte zu garantieren nicht besser ab. Die Aufstände in allen Ländern können zum großen Teil als das Einfordern der Rechenschaftspflicht der Regierung verstanden werden. Da die Präsidenten jedoch keine entscheidenden Änderungen durchführen, verlangen Oppositionsbewegungen vielerorts die Absetzung des Regimes. Ein endgültiges Ende der Proteste ist ohne einen zumindest ansatzweisen Wandel hin zu einer demokratischeren Regierungsführung nicht vorstellbar.
Gleichzeitig sollten die Aufstände nicht als reine Demokratiebewegung missverstanden werden. Wie oben für die einzelnen Länder beschrieben, mischen sich verschiedene Beweggründe. Erst das Aufschaukeln von diversen Aspekten führt zu einer Eskalation. Die Frustration über die Regierungsführung mischt sich mit breitem Unmut über die persönlichen ökonomischen Umstände und die geringe Qualität von öffentlichen Gütern wie Bildung und Gesundheit. Hierbei haben die Länder durchaus unterschiedliche Startvoraussetzungen. Die Länder, in denen die Proteste derzeit noch relativ gering ausfallen, haben große Rohstoffvorkommen, insbesondere im Energiesektor. Vor allem Gabun und Äquatorialguinea verzeichnen dadurch ein vergleichsweise hohes Pro-Kopf-BIP. Jedoch sind diese Länder, sowie auch der Tschad und die Republik Kongo, dadurch in hohem Maße von den Weltmarktpreisen, beispielsweise für Öl, abhängig. In drei Ländern geht das BIP deshalb derzeit stark zurück, was zu weiteren Etatkürzungen und dadurch zu stärkeren Protesten führen könnte. Die ZAR und die DRK zählen zu den ärmsten Ländern der Welt und auch wenn ihr BIP wächst, ist die Rate viel zu gering, um zu den Nachbarländern aufzuschließen. Kamerun hingegen wächst weiterhin relativ stark. In den Zahlen des Jahres 2016 spiegelt sich jedoch noch nicht der Einfluss der Streiks und des Abschaltens des Internets im Jahr 2017 wider. Alle Länder sind durch starke Klientelwirtschaft geprägt, was sie daran hindert, ihre unterschiedlichen Ressourcen im Sinne der breiten Bevölkerung zu verwenden (Mehler und de Vries 2018). In allen Ländern wird die ökonomische Dimension voraussichtlich auch im Jahr 2018 dazu beitragen, die Aufstände weiter zu befeuern.
Die politische Prägung durch repressive Autokratien und die weitestgehend desolate ökonomische Lage sind zwei wichtige Ursachen für die vielen Konflikte in Zentralafrika. Während andere Regionen Afrikas ähnlich viele Proteste registrieren, sind diese beispielsweise im Süden und Westen Afrikas weniger mit ausgeprägten Konflikten vermengt. Nur einzelne, sogenannte „fragile Staaten“, wie Mali, Somalia und der Südsudan, verzeichnen ein ähnlich hohes Gewaltniveau (Glawion, de Vries und Mehler 2018). Was als Protest von zumeist zivilen Gruppen beginnt, bleibt zunächst bis auf einzelne gewaltbereite Akteure friedlich. Bei andauernder Frustration können die Gewaltakteure aber an Zustimmung gewinnen. So geschieht es derzeit in Kamerun, der DRK und der ZAR. Auch in anderen Ländern ist bei anhaltendem Reformunwillen eine Eskalation nicht auszuschließen. In der ZAR ist die Vermengung von Protest und Gewalt besonders sichtbar: Die Séléka-Rebellion begann im Jahr 2012, nachdem Präsident François Bozizé Abkommen zur Machtteilung nicht eingehalten und Händlernetzwerke aus dem Nordosten quasi enteignet hatte. Zwar wurde der Präsident kurz darauf gestürzt, aber die ökonomische Lage hat sich gar nicht und die politische Lage nur langsam verbessert. Der Konflikt spitzt sich zu, da keiner der involvierten Akteure (Regierung, Séléka-Rebellen, Anti-Balaka-Milizen und Friedensmission) der Bevölkerung einen klaren Ausweg aus der Krise zeigen kann (Glawion und de Vries i.E.). Der Tschad übte über Jahre hinweg einen starken und konfliktanheizenden Einfluss auf die ZAR aus, indem er entweder das Herrscherregime oder Rebellengruppen unterstützte. Auch im eigenen Land muss Präsident Déby die Wandlung von wachsenden friedlichen Demonstrationen hin zu bewaffneten Aufständen gegen sein Regime fürchten. Waffen und arbeitslose Milizen sind zahllos vorhanden (Debos 2016). Die DRK befindet sich in der Region schon am Längsten im Konflikt und beherbergt eine enorme Zahl an kleinen sowie auch starken Rebellengruppen. Die Wahlen können die breite Unsicherheit der Bevölkerung nicht beenden, jedoch führt die undemokratische Verschiebung des Wahltages zu einer Eskalation der Situation, die bewaffnete Gruppen gezielt ausnutzen, um Gebietsgewinne zu realisieren. Generell verschafft der Unmut über das Stagnieren politischer Verhandlungen Gewaltakteuren Aufwind. In Kamerun gibt es nun zum ersten Mal seit Jahren wieder eine gut organisierte und (teils) extrem gewaltbereite Oppositionsbewegung. Weitere Jahre der Stagnation könnten die Lage verschlimmern. Auch in den verbleibenden Ländern ist eine Radikalisierung der Opposition bei wachsendem Unmut über politische und ökonomische Ungerechtigkeiten nicht auszuschließen.
Die Aufstände in den Ländern Zentralafrikas nehmen seit Ende des Jahres 2017 zu. Sie könnten sowohl zu bewundernswertem Wandel führen, wie zuletzt in Burkina Faso, aber auch zu neuen lang anhaltenden Krisenherden wie in der DRK. Um die Lage zu verstehen, sollte die zentralafrikanische Region aufgrund ihrer engen Verbindungen und vielen Gemeinsamkeiten zunächst als Ganzes betrachtet werden. Politische Stagnation, schlechte Lebensumstände und viele Konfliktherde befeuern die derzeitigen Aufstände. Es gilt drei Dinge zu beobachten. Erstens, inwiefern deutet sich ein Wandel in der Regierung oder zumindest der Art der Regierungsführung an? Zweitens, welche Anstrengungen werden unternommen, um ökonomische Ressourcen im Sinne der breiten Bevölkerung zu verwenden? Drittens, wie wird Gewalt auf allen Seiten angewandt, um Ziele durchzusetzen?
Damit externe Akteure, wie die EU und die deutsche Bundesregierung, friedensfördernd wirken können, gilt es innerhalb der regionalen Gemeinsamkeiten auch nationale und selbst lokale Besonderheiten anzugehen. Die Herrscherregime unterscheiden sich stark und reichen von Kamerun mit enormen Mitteln der Repression bis zur ZAR mit seinen äußerst schwachen staatlichen Strukturen. Auch Oppositionsgruppen müssen kritisch begutachtet werden. Herrscherwechsel, wie in der ZAR und der Republik Kongo brachten in der Vergangenheit meist keine Demokratisierung der politischen Landschaft mit sich. Die Gefahr ist groß, dass nationale Kräfte jegliche Einmischung in Fragen des Herrscherwechsels als Neokolonialismus brandmarken. Öffentlicher Druck könnte somit das herrschende Regime stärken, anstatt einen Wandel einzuleiten. Statt einzelne Führungspersonen, sollten darum die Institutionen an sich anvisiert werden. Beispielsweise wurden die Wahlen in der ZAR im Jahr 2016 dank internationaler Hilfe recht erfolgreich durchgeführt. Eine Stärkung der internen Mechanismen von Machtteilung und -kontrolle bieten einen weiteren Ansatzpunkt für internationale Hilfen.
Während alle Länder gemeinsam haben, dass sie Klientelismus herunterfahren müssten, um breite ökonomische Entwicklung zu fördern, sind die Rahmenbedingungen sehr verschieden: Die ZAR gilt als das ärmste Land der Welt, während Gabun und Äquatorialguinea im Verhältnis zu ihrer Größe über beachtliche Rohstoffeinnahmen verfügen. Um die Probleme des Rentierstaats anzugehen, gilt es politische und ökonomische Kooperation einem möglichst breiten Spektrum an Akteuren anzubieten und nicht lediglich den herrschenden Eliten. Für die besonders armen Länder, wie die ZAR, die DRK und den Tschad, kommt hinzu, dass externe ökonomische Hilfen nicht gleichzeitig die nationalen Regime aus der Verantwortung entlassen dürfen. Zu häufig stellen diese sich langfristig auf die Substitution von Staatsaufgaben durch internationale Hilfen ein, wodurch sie sich gegen Protest von innen immunisieren.
Zuletzt gilt es die Konfliktlage eingängig zu analysieren, um Gewaltakteure möglichst von friedlichen Demonstranten zu differenzieren. Insgesamt gilt es hierbei, mehr Druck auf die Regierungen auszuüben, auch wenn das zu kurzfristig gesehene Interessen Europas (Migrationsverhinderung, pauschale Terrorismusbekämpfung) untergräbt. Gleichzeitig müssen die Kontakte zu politischen, zivilen und ökonomischen Akteuren außerhalb der Regierung verstärkt werden, um auf mögliche Machtteilungsabkommen oder gar einen vollwertigen Regimewechsel vorbereitet zu sein. Die größte Gefahr liegt darin, durch lukrative Entwaffnungsprogramme und Machtteilungsabkommen überhaupt erst die Anreize zum Aufnehmen der Waffen zu geben (Tull und Mehler 2005). Im Gegenteil sollten internationale Deeskalationsprogramme friedliche Akteure einbinden und belohnen. Letztendlich bleibt die Hauptverantwortung bei den Menschen vor Ort. Ihre selbstständigen Ansätze gilt es durch internationale Intervention vorsichtig und gezielt zu fördern.
Mira Demirdirek leistete für diesen GIGA Fokus im Rahmen eines studentischen Werkvertrages wahrlich herausragende Recherchearbeit, indem sie die Ereignisse der jeweiligen Länder detailliert untersuchte und Datensätze zu den Geschehnissen auswertete. Hierfür möchte der Autor ihr ausdrücklich danken.
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