GIGA Focus Afrika
Nummer 2 | 2025 | ISSN: 1862-3603
Entwicklungspolitik ist unter Druck geraten, schon bevor US-Präsident Donald Trump begann, die Mittel für die US-Behörde zur Entwicklungszusammenarbeit USAID massiv zusammenzustreichen. Sie ist ein wichtiges Element der Antworten auf globale Herausforderungen wie den geopolitischen Wettbewerb, aber auch in diesem Politikbereich ist ein Umsteuern notwendig.
Ein Rückbau des entwicklungspolitischen Engagements Deutschlands, insbesondere mit den Ländern Afrikas, wäre falsch. Entwicklungspolitik ist unerlässlich für die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter wie den Schutz des Klimas oder die Bekämpfung von Pandemien und dient damit auch deutschen Interessen.
Es darf kein „Weiter so“ geben. Es besteht dringender Handlungsbedarf für eine bessere Koordinierung der Schnittstellen von Klima- und Entwicklungspolitik sowie von Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik. Eine wirkungsvollere und effizientere Entwicklungszusammenarbeit muss sich systematisch damit befassen, was wirkt, und dabei die Kosten im Blick haben.
Entwicklungspolitik sollte Teil eines europäischen Angebots sein, das den Multilateralismus stärkt, sowie Deutschland und die EU als Alternative zu den USA unter Trump und zu autoritären Angeboten positioniert.
Im Mittelpunkt sollten echte Partnerschaften mit strategisch ausgewählten Ländern des Globalen Südens stehen. Diese Partnerschaften sollten auf einem gemeinsamen Bekenntnis zur Agenda 2030 und zum Pariser Klimaabkommen beruhen. Eine politische Agenda des zuständigen Ministeriums sollte nachrangig sein.
Als „weiches“ Instrument deutscher Interessenpolitik taugt Entwicklungspolitik nur als Teil eines europäischen Angebots, das gemeinsam mit den Partnerländern im Globalen Süden verhandelt und konzipiert wird. Ein zukünftiges Entwicklungsministerium könnte sich deutlich mehr als bisher als Koordinationsministerium in der wirtschaftlichen, klimapolitischen und Entwicklungszusammenarbeit verstehen.
Die Ausgangslage für erfolgreiche Entwicklungspolitik hat sich deutlich verschlechtert. Im Zentrum stehen zwei zentrale globale Herausforderungen: Erstens haben sich multipolare Geopolitik, geoökonomischer Wettbewerb und Fragmentierung sowie das Ringen um Einfluss – aber auch um den Zugang zu Ressourcen – intensiviert. Das Spiegelbild dieser Entwicklungen sind die Erosion des Multilateralismus und der Aufstieg des Transaktionalismus bei internationalen Partnerschaften (im Detail beschrieben in Gurol-Haller und Plagemann, 2025). Zweitens haben sich die Klima- und Biodiversitätskrise massiv verschärft. Damit einhergehend besteht auch die Notwendigkeit von Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen an ein sich veränderndes Klima. Klimapolitik verursacht jedoch Kosten, die oft dort anfallen, wo wenig Ressourcen zur Verfügung stehen.
Hinzu kommen globale Herausforderungen, die vielerorts zu beobachten sind, sich aber in ihren Ausprägungen und Implikationen, gerade in der heterogenen Gruppe der Länder des Globalen Südens, deutlich unterscheiden. Die Verschärfung und Persistenz von Konflikten und Gewalt in der Ukraine, in Gaza, in der Sahel-Zone, aber auch in Zentralamerika stellt die Entwicklungspolitik vor große Herausforderungen. Wirtschaftliche Stagnation, Inflation, und hohe Staatsschulden bleiben ein Thema für viele Länder in fast allen Weltregionen. In Europa entsteht zusätzlicher Druck auf öffentliche Budgets aufgrund der von vielen gesehenen Notwendigkeit deutlich erhöhter Verteidigungsausgaben, die einhergeht mit einem Ruf nach einem effizienteren Staat und weniger Regulierung. Eine Folge dieser wirtschaftlichen Stagnation ist der ausbleibende Erfolg bei der weiteren Reduzierung von Hunger und Armut. Seit 2019 liegt die Weltarmutsrate, also der Anteil der Bevölkerung, die von weniger als 2,15 Internationalen US-Dollar pro Tag leben muss, unverändert bei ungefähr 9 Prozent. In Sub-Sahara Afrika ist die Anzahl der Menschen in extremer Armut in den letzten fünf Jahren von 411 im Jahr 2019 auf 464 Millionen im Jahr 2024 gestiegen (Weltbank, 2025). Migration und Flucht sind eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung, die auch entwicklungspolitische Antworten erfordert, die sowohl im Globalen Norden als auch Süden greifen. Im Zuge des Aufstiegs des Populismus und der Herrschaft von Populisten werden unter anderem die Vorteile internationaler Kooperation grundsätzlich in Frage gestellt. Weltweit sind die Bedrohung und der Rückzug von Demokratie zugunsten von autoritären Regimen zu beobachten. Oft sind diese Herausforderungen eng miteinander verwoben, wie das Beispiel der dramatischen Kürzungen der amerikanischen Mittel für die US-Entwicklungsbehörde USAID zeigt, die das Resultat einer Mischung aus Populismus, Angriffen auf multilaterale Institutionen und vermeintlicher Steigerung staatlicher Effizienz sind.
Dieser langen Liste an Problemen und Herausforderungen möchte man gern eine ähnlich lange Liste mit Chancen entgegensetzen. Einige der genannten Problemfelder bergen Chancen. In einer multipolaren und transaktionalen Welt können Länder aus einer Vielzahl an möglichen Partnern wählen, insbesondere jene, die über begehrenswerte Ressourcen verfügen. Allerdings können sie auch zum Ziel von Großmachtpolitik werden, wie das Beispiel der Ukraine illustriert. Auch der Klimawandel, insbesondere die Energietransition und die sich daraus ergebende mögliche Restrukturierung globaler Produktion, birgt Chancen für viele Länder, beispielsweise für jene, die ein hohes Potential für erneuerbare Energie haben. Aus wirtschaftlichen Problemlagen sind Länder oft gestärkt hervorgegangen, weil in einer solchen Situation notwendige strukturelle Reformen angegangen wurden. Der Umgang mit Migration ist offensichtlich nicht nur eine gesellschaftliche Herausforderung, sondern auch Teil der Lösung etwa für globale demografische und Arbeitsmarktungleichgewichte. Schließlich birgt die Digitalisierung trotz wesentlicher Risiken großes Potential für mehr Wohlstand weltweit.
Diesen Herausforderungen muss sich die Politik in allen Bereichen stellen. Die Entwicklungspolitik ist hierbei ein wichtiges, vielleicht unterschätztes Element für deren Bewältigung. Entwicklungspolitik als Begriff beschreibt alle staatlichen und internationalen Maßnahmen, Strategien und Rahmenbedingungen, die darauf abzielen, die wirtschaftliche, soziale und ökologisch nachhaltige Entwicklung in Ländern des Globalen Südens zu fördern. Sie kann sowohl bilaterale als auch multilaterale Programme umfassen und wird oft von Regierungen, internationalen Organisationen oder Nichtregierungsorganisationen gesteuert. Entwicklungszusammenarbeit hingegen ist ein Teilbereich der Entwicklungspolitik und betont die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Geber- und Empfängerländern. Sie umfasst konkrete Projekte und Programme, die in der Regel gemeinsam mit lokalen Akteuren umgesetzt werden, um nachhaltige Verbesserungen in Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Infrastruktur oder Umweltschutz zu erzielen. Schließlich umfasst Official Development Assistance (ODA, oder „öffentliche Entwicklungszusammenarbeit“) gemäß der Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD die öffentlichen Mittel, die von wohlhabenderen Ländern für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ärmerer Länder bereitgestellt werden.
Wenn es um die Frage der Ziele bzw. der Motivation geht, schreibt Klingebiel (2024), dass ein Diskurs, der einer wertebasierten rein humanitären Entwicklungspolitik eine von wirtschaftlichen oder politischen Interessen geleiteten Entwicklungspolitik gegenüberstellt, nicht sinnvoll ist. Er schlägt stattdessen vor, Entwicklungspolitik als Instrument von Soft Power zu verstehen und damit diesen vermeintlichen Konflikt aus dem Weg zu räumen. Dieses Argument hat seinen Charme, allerdings dient eben nicht jede Form von humanitär motivierter Entwicklungspolitik auch deutschen bzw. europäischen Interessen. Daher ist ein offenerer Ansatz aus meiner Sicht angeraten, der Interessen und humanitäre Ziele explizit macht oder zumindest explizit mitdenkt.
Zu dieser Offenheit gehört beispielsweise, dass es ein starkes humanitäres Motiv für Gesundheitsprogramme in Malawi gibt, ein Land mit sehr begrenzten eigenen Möglichkeiten, aber eben auch ein Land, das wirtschaftlich und politisch nicht als bedeutsam gelten kann. Südafrika hingegen ist als Teil der BRICS ein wichtiger geopolitischer Akteur, könnte vielleicht auch mehr eigene Ressourcen für den heimischen Gesundheitssektor mobilisieren, ist aber dennoch auf Entwicklungszusammenarbeit bei der Bekämpfung von HIV/AIDS angewiesen. Ungefähr ein Fünftel des südafrikanischen Budgets in diesem Bereich kommt von USAID und läuft Gefahr, komplett wegzufallen (Gandhi et al. 2025). Aus solchen Konstellationen ergeben sich Zielkonflikte, die von veränderten geopolitischen Realitäten verschärft wurden und die politisch aufzulösen sind. Dies kann nur geschehen, wenn verschiedene Politikbereiche besser zusammenarbeiten und Entwicklungspolitik als Querschnittsaufgabe verstanden wird.
Hierfür ist es hilfreich, mehrere Aspekte im Blick zu behalten: Es steht insbesondere angesichts des stagnierenden Fortschritts bei der Bekämpfung der Armut außer Frage, dass es eine Entwicklungspolitik geben kann und meiner Ansicht nach sollte, die wertebasiert ist und die aus altruistischen und humanitären Motiven erfolgt. Das sieht aber nicht jede und jeder so: Der Zeitgeist und auch die Ergebnisse der Bundestagswahl legen nahe, dass eine altruistisch motivierte Entwicklungspolitik zurzeit (noch) weniger Unterstützung finden würde als dies noch vor wenigen Jahren der Fall gewesen ist. Für eine interessensgeleitete Entwicklungspolitik indes sieht das anders aus. Für die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter, z.B. den Schutz des Klimas, der Biodiversität oder der Bekämpfung von Pandemien, ist Entwicklungspolitik unerlässlich und damit in deutschem Interesse, auch wenn selbst diese Annahmen im derzeitigen öffentlichen Diskurs in Frage gestellt wird. Beispiel Klima: Auch wenn die öffentlich diskutierten „Radwege in Peru“ zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen bestimmte Projekte in Partnerländern in Verruf gebracht haben, lassen sich Emissionen im Globalen Süden etwa beim entwicklungsfördernden Ausbau von Energiesystemen oder bei der Wiederaufforstung kostengünstiger vermeiden als beispielsweise durch Energieeffizienzmaßnahmen in Deutschland. Als Soft Power-Instrument ist Entwicklungspolitik ein wichtiger Teil vieler Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens und damit manchmal, wenn auch nicht immer, von außenpolitischem Wert. Als „weiches“ interessenpolitisches Instrument taugt Entwicklungspolitik aber nur, wenn sie als Teil eines europäischen Angebots verstanden und mit den Partnerländern im Globalen Süden zusammen verhandelt und konzipiert wird. Für entwicklungspolitische Entscheidungen und auch aus Effizienzgründen ist dringend ein erkenntnisorientiertes Verständnis der Entwicklungszusammenarbeit, das sich systematisch mit ihrer Wirksamkeit und ihren Möglichkeiten auseinandersetzt, erforderlich. Außerdem gibt es in der deutschen Entwicklungspolitik Potential für Bürokratieabbau und effizientere Verwaltungsstrukturen. Nur so kann man sich zufriedenstellenden Antworten auf die komplexen Fragen nähern, was man mit welchen Partnern auf welche Art und Weise erreichen kann.
Aus diesen Überlegungen lassen sich fünf Kernempfehlungen für eine reformierte Entwicklungspolitik herleiten.
Schon lange wurde erkannt, dass klassische Ressortzuständigkeiten der Komplexität des Regierungshandelns in einer globalisierten Welt nicht gerecht werden. Klimapolitik beispielsweise ist gleichzeitig Umwelt-, Wirtschafts-, Entwicklungs- und Außenpolitik und muss deshalb gut koordiniert werden. Auch Lieferketten und wirtschaftliche Integration (Handel und internationale Investitionen) sind Querschnittsthemen, die all diese Politikbereiche inklusive der Entwicklungspolitik berühren. Doch anstelle von mehr Koordination finden wir trotz einiger Bemühungen um bessere Abstimmung weiterhin Gerangel um Zuständigkeiten und politische Sichtbarkeit. Im schlimmsten Fall trägt Deutschland dieses Gerangel auf die europäische Ebene, wie im Fall der Lieferkettenregulierung (hier gepaart mit parteipolitischen Überlegungen), oder Aufgaben werden in unterschiedlichen Ressorts gedoppelt.
Beispiel internationale Entwicklungs- und Klimapolitik: Wie genau kann man sinnvoll die Aufgaben einer „Abteilung für Klimaaußenpolitik“ im Auswärtigen Amt (AA) abgrenzen von denen der Abteilung „Klima, Energie und Umwelt“ im Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) sowie der Abteilung „Klimaschutz“ im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) – federführend zuständig unter anderem für internationalen Klimaschutz und internationale Energiewende. Im BMWK gibt es außerdem auch noch eine Unterabteilung, die in der außenwirtschaftspolitischen Abteilung zuständig ist für „Bilaterale und regionale Klima- und Energiekooperation, Subsahara-Afrika“. Selbst mit einer minutiösen Ausdifferenzierung von Federführung und inhaltlichen Verantwortlichkeiten kann das keine sinnvolle und effiziente Struktur sein. Und diese Aufzählung umfasst nicht einmal alle Abteilungen, Referate und Arbeitsgruppen im Umweltministerium, die sich ebenfalls mit Fragen des internationalen Klimaschutzes befassen.
Wichtig ist, dass in den Koalitionsverhandlungen ernsthaft darüber gesprochen wird, wie man Querschnittaufgaben – und zu denen gehört die Entwicklungspolitik – deutlich besser abbildet als dies bisher der Fall war. Dabei gilt es auch darüber nachzudenken, wie die notwendige Koordination effizient gestaltet werden kann und Doppelungen vermieden werden. Formate wie der seit 2023 bestehende regelmäßiger Austausch auf Staatssekretärsebene zur besseren Koordination der Entwicklungspolitik (siehe Klingebiel 2025), sind nicht ausreichend für die notwendige Koordination und Kohärenz. Ein weiter eigenständiges BMZ könnte ein wichtiges Ministerium für internationale Querschnittsaufgaben sein. Das BMZ sollte kein zweites Außenministerium oder „Ministerium für Internationale Zusammenarbeit“ sein. Vielmehr sollte es den klaren Auftrag haben, Deutschlands entwicklungspolitisches und multilaterales Engagement als Teil einer kohärenten Sicherheits-, Außenwirtschafts- und Klima-, und Außenpolitik zu koordinieren und zu implementieren. Ein wichtiger Teil dieses Auftrags wäre, die Perspektive des Globalen Südens in die verschiedenen Politikbereiche einzubringen. Schon oft wurde die Aufwertung des Bundessicherheitsrates und die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates empfohlen (siehe auch Gurol-Haller und Plagemann 2025). Ähnliche Strukturen mit Fokus auf den Globalen Süden sind unbedingt notwendig an der Schnittstelle von Klima- und Entwicklungspolitik (siehe oben) sowie an der Schnittstelle von Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik.
Die Strategieprozesse, die ich im BMZ beobachten durfte, hatten in der Regel eine „sektorale Schwerpunktsetzung“ zum Ziel oder zumindest zur Folge. Im Ministerium unter Gerd Müller war es unter anderem die Bekämpfung von Fluchtursachen durch ländliche Entwicklung und die Schaffung von Beschäftigung, vor allem durch private Investitionen. Die jetzige Liste von Schwerpunkten im Ministerium von Svenja Schulze ist lang: Bekämpfung von Hunger und Armut, Förderung von Gesundheit und Bildung, Schutz des Klimas und der Artenvielfalt, Stärkung der Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit, Förderung fairer Lieferketten und nachhaltiger Wirtschaft, Nutzung von Digitalisierung und Technologietransfer sowie die Stärkung von Privatinvestitionen. Dies sind alles wichtige Themen, und man kann sich auch zu Beginn der neuen Legislatur wieder darüber streiten, ob Privatinvestitionen und Wirtschaft nicht weiter vorne stehen sollten und Demokratieförderung sowie Good Governance nicht auch dazugehören. Aber ist diese thematische oder sektorale Priorisierung eine Strategie? Sie ist mir ein bisschen zu sehr aus der Perspektive der Entwicklungszusammenarbeit gedacht, die von den eigenen entwicklungspolitischen Prioritäten ausgeht.
Anstelle der eigenen Prioritäten sollten die Schwerpunkte der Partner im Globalen Süden konsequent in den Mittelpunkt gestellt werden – auf der Basis der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens. Ein neues Strategiepapier für die deutsche Entwicklungspolitik sollte ein klares Bekenntnis zur Agenda 2030 mit der dort impliziten Priorisierung beispielsweise der Bekämpfung von Hunger und extremer Armut sowie Bildung und Gesundheit als Prinzip enthalten und so strategische Ziele festlegen. Dasselbe gilt für Klimaschutz und -anpassung und damit das Pariser Klimaabkommen. Außerdem könnte Deutschland auch weiterhin bestimmte Prinzipien betonen, die für besonders wichtig erachtet werden, wie beispielsweise Geschlechtergerechtigkeit.
Die wichtigsten miteinander verwobenen Elemente einer entwicklungspolitischen Strategie wären allerdings: (1) Entwicklung und Ausbau robuster Partnerschaften mit dem Globalen Süden für nachhaltige Entwicklung im Sinne der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) und des Pariser Abkommens sowie (2) Entwicklungspolitik, die sich in den Dienst eines europäischen Angebots stellt, das sich als Alternative zu Donald Trumps USA und auch Xi Jinpings China versteht.
Die Logik für die Schwerpunkte der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit würde umgedreht: Sektorale Schwerpunkte entstünden in den Partnerschaften, oder sie könnten auch direkt einen sektoralen Schwerpunkt haben, wie beispielsweise die „Just Energy Transition Energy Partnerships“ (siehe Fünfgeld und Wischermann 2024 für Details). Einige würden jetzt sagen, dass dies bereits geschieht und Partnerländer in Regierungsverhandlungen ja einbezogen werden. Dies ist richtig, aber dennoch entstehen durch die sektoralen Schwerpunktsetzungen des BMZ immer wieder Zielkonflikte, die einer echten Partnerschaft und bisweilen auch der Effektivität der Entwicklungszusammenarbeit entgegenwirken.
Das bedeutet nicht, dass man die sektorale und thematische Schwerpunktsetzung aus der Hand gibt. Trotzdem würde man ein klares Signal an die Partnerländer senden, dass die Zusammenarbeit sich höchstens nachrangig an den eigenen politisch motivierten sektoralen Schwerpunkten der deutschen Zusammenarbeit orientiert. Der Perspektive der Partnerländer würde mehr Gewicht beigemessen. So könnte man auch verhindern, dass diese Perspektiven nicht ausreichend oder zu spät berücksichtigt würden, wie beispielsweise im Fall der Lieferkettenregulierung und der europäischen Entwaldungsrichtlinie, die in einigen Partnerländern zu großem Unmut geführt haben (Reuters 2024). Weiterhin und verstärkt sollte sich Deutschland in einer arbeitsteiligen internationalen Zusammenarbeit mit seinen komparativen Vorteilen und Kompetenzen einbringen, z.B. bei klima- und umweltfreundlicher Infrastruktur oder der beruflichen Bildung. Diese Kompetenzen sollten noch klarer profiliert werden.
Entwicklungspolitik ist ein wichtiges Soft-Power-Instrument. Aber auch Soft Power erfordert eine Schlagkraft, die Deutschland allein nicht hat und die deutlich stärker wäre, wenn Entwicklungspolitik europäischer wäre. Bezüglich der Verteidigung ist es mittlerweile allgemein anerkannt, dass es nur eine europäische Lösung geben kann. Auch in der Entwicklungspolitik braucht es ein starkes europäisches Angebot. Dem wird die im Dezember 2021 gestartete Global Gateway Initiative (GGI) der Europäischen Union, die darauf abzielt, bis 2027 weltweit 300 Milliarden Euro zu investieren (davon etwa die Hälfte in Afrika), bisher nicht gerecht. Das liegt zum einen an der Konzeption der GGI selbst, der Kritiker fehlende Ziele und eine fehlende Gesamtstrategie vorwerfen. Zum anderen fehlt es aber auch an einer Verzahnung der Entwicklungszusammenarbeit der Mitgliedsstaaten untereinander sowie mit der Generaldirektion Internationale Partnerschaften der europäischen Kommission, innerhalb des Global Gateway für die strategische Umsetzung der Infrastrukturinvestitionen in Partnerländern zuständig, insbesondere durch die Koordination von Finanzierungsinstrumenten und Partnerschaften mit internationalen Akteuren. Dabei bedarf es vor allem besserer Koordination auf europäischer Ebene und nicht unbedingt mehr europäischer Projekte und Programme.
Eine solche auf ein europäisches Angebot und echte Partnerschaften fokussierte Entwicklungspolitik hat auch etwas Transaktionales. Man läuft also Gefahr, sich den Ansatz des Deal-Makings des amerikanischen Präsidenten – zumindest ein bisschen – zu eigen zu machen. Dem sollte man entgegenwirken, indem man gleichzeitig die Rolle multilateraler Institutionen stärkt und diese Institutionen, insbesondere UN-Organisationen und regionale Entwicklungsbanken, in europäische Angebote integriert.
Ein weiterer Aspekt der Entwicklungspolitik sind mögliche Schwerpunktsetzungen bei der Wahl der Partner. Ein wichtiges Prinzip hierbei sehen Gurol-Haller und Plagemann (2025) richtigerweise in der Anerkennung der Multipolarität und der damit verbundenen Offenheit für Kooperationen beispielsweise mit den erweiterten BRICS. Henrik Maihack von der Friedrich-Ebert-Stiftung hat vorgeschlagen, in Subsahara-Afrika enger mit Ghana und Südafrika zusammenzuarbeiten (Maihack 2025). Beide Länder seien stabile Demokratien und wichtige Partner für wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie multilaterale Reformen. Südafrika spielt als einziges afrikanisches G20-Mitglied eine Schlüsselrolle in globalen Institutionen, während Ghana für die Stabilität in Westafrika und die Bekämpfung terroristischer Netzwerke entscheidend ist. Zudem bietet die Zusammenarbeit mit beiden Ländern Chancen, die eigene Abhängigkeit von Rohstoffexporten zu reduzieren und die Afrikanische Freihandelszone (AfCFTA) zu stärken. Diese Idee ließe sich auf andere Regionen übertragen. Hieraus entstünden robuste Partnerschaften, die von gemeinsamen Interessen und Themen getragen würden.
Die Debatte über die Wirksamkeit von Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit ist fast so alt wie die „Entwicklungshilfe“ selbst. Fest steht, dass es kaum einen nachweisbaren positiven Effekt von ODA auf aggregiertes wirtschaftliches Wachstum in ärmeren Ländern gibt; Entwicklungspolitik ist also mitnichten in der Lage, Armut durch Einkommenswachstum nachhaltig und umfassend zu reduzieren. Daher sollte Entwicklungspolitik auch aufhören zu suggerieren, man könnte mit entwicklungspolitischen Maßnahmen die Grundursachen wirtschaftlich motivierter Migration, nämlich die enormen Einkommensunterschiede zwischen Europa und Afrika, in der mittleren oder gar kurzen Frist bekämpfen. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Entwicklungspolitik keine positiven Wirkungen entfalten kann. Insbesondere im Gesundheitssektor lässt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Programmen und Projekten der Entwicklungszusammenarbeit und Indikatoren wie Kinder- und Müttersterblichkeit herstellen. In anderen Bereichen zeigt sich empirisch ein gemischtes Bild; die Wirkungen sind oft moderater als Ministerien und Durchführungsorganisationen wahrhaben wollen, aber trotzdem positiv, wie z.B. Studien zur Effektivität von Ausbildungsprogrammen der Entwicklungszusammenarbeit zeigen (Beber et al. 2024).
Die deutsche Entwicklungspolitik muss sich sehr viel ernsthafter mit wissenschaftlicher Evidenz zu Effektivität („die richtigen Dinge tun“) und Effizienz („die Dinge richtig tun“) beschäftigen. Es gilt, sich systematisch damit zu befassen, was wirkt und was nicht funktioniert, und dabei die Kosten im Blick zu haben. Wirkungsorientierung heißt nicht, besser zu erfassen, wie viele Menschen an Projekten und Programmen teilgenommen haben und wie es um die Teilnehmenden bestellt ist. Dringend notwendig für ein Verständnis von Wirkung ist ein Umdenken hin zu kontrafaktischem Denken sowie in Szenarien: Was wäre gewesen bzw. was wird sein, wenn das Projekt, das Programm oder die Regulierung nicht oder anders implementiert worden wäre bzw. wird? Ein solches Denken geht deutlich über die Evaluierung von Projekten und Programmen hinaus. Insbesondere bei der Regulierung (Beispiele: Lieferkettengesetz, europäische Entwaldungsrichtlinie) müssen mögliche Implikationen – ex-ante und ex-post – besser evaluiert werden.
Es gibt mittlerweile einen großen Schatz an Erfahrungen und Evidenz, den es bei der Konzipierung von Programmen, Projekten, wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen und damit auch eines Portfolios und einer Agenda insgesamt besser zu nutzen gilt. Bei ex-post-Evaluierungen könnte mehr Offenheit nicht schaden, und es gilt eine Kultur zu etablieren, die Misserfolge benennt und ermöglicht, aus diesen zu lernen. Beispielsweise müsste bei jedem Besuch einer Ministerin oder eines Ministers in einem Partnerland meiner Ansicht nach auch mindestens ein gescheitertes Projekt besucht werden. Im internationalen Vergleich ist die deutsche Entwicklungszusammenarbeit institutionell nicht einmal schlecht aufgestellt (OECD 2021): Mit dem DEval gibt es sogar eine eigene Institution, die hier eine wichtige Rolle spielen könnte, auch wenn ein bisschen mehr Unabhängigkeit vom Ministerium nicht schaden könnte.
Schließlich gilt es auch, die Entwicklungszusammenarbeit effizienter zu machen, auch wenn Elon Musks „Department for Government Efficiency“ der Effizienz gerade einen faden Beigeschmack verleiht. Überbordende Bürokratie und Regulierung (Dokumentationspflichten, Vergaberichtlinien etc.) lähmen nicht nur die Entwicklungspolitik, sondern auch andere Politikbereiche. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Details gehen über diesen GIGA Focus hinaus, aber Elemente einer Reform sind sicher die Reduzierung von Doppelstrukturen und einfachere, weniger hierarchische Entscheidungsprozesse.
Ein Rückbau des entwicklungspolitischen Engagements Deutschlands wäre falsch. Entwicklungspolitik ist ein äußerst wichtiges Element internationaler Zusammenarbeit, insbesondere mit den Ländern Afrikas. Dennoch kann es kein „Weiter so“ in der Entwicklungspolitik geben. Auch in diesem Bereich ist ein Neubeginn vonnöten. Dies erfordert, dass eine neue Bundesregierung wichtige Querschnittsbereiche der internationalen Zusammenarbeit mit den Ländern des Globalen Südens deutlich besser koordiniert, insbesondere an den Schnittstellen von Klima- und Entwicklungspolitik sowie von Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik. Es gilt, dies im Rahmen eines europäischen Angebots zu tun, das zum einen den Multilateralismus stärkt und zum anderen Deutschland und die EU als Alternative zu den USA unter Trump und zu autoritären Angeboten positioniert. Im Mittelpunkt eines solchen Angebots sollten echte Partnerschaften mit strategisch ausgewählten Ländern des Globalen Südens stehen und nicht die thematischen Schwerpunkte einer ministeriellen Leitung. Damit hierbei keine Beliebigkeit entsteht, sollten diese Partnerschaften auf einem gemeinsamen Bekenntnis zu den SDGs und dem Pariser Klimaabkommen beruhen. Schließlich besteht ein dringender Handlungsbedarf für eine wirkungsvollere und effizientere Entwicklungszusammenarbeit. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Braucht es dafür ein eigenes Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit? Dies ist eine alte Frage, die bei jeder Regierungsbildung wieder neu aufgeworfen wird. Nicht ohne Grund, denn es gibt auf diese Frage keine klare Antwort. Ich würde mir ein schlagkräftiges BMZ wünschen, das sich viel mehr als in der Vergangenheit als führendes Koordinationsministerium in der wirtschaftlichen, klimapolitischen und Entwicklungszusammenarbeit versteht. Dafür braucht es nicht zu wachsen, aber es müsste seine Arbeitsweise tiefgreifend ändern. Prinzipiell wäre es auch vorstellbar, Entwicklungspolitik im AA anzusiedeln, was durchaus seine Vorteile hätte, wenn man Entwicklungspolitik eher aus Partnerschaftsperspektive denkt. Allerdings ginge eine solche Integration mit hohen Restrukturierungskosten einher, für die weder Zeit noch Ressourcen vorhanden sind. Eine Integration der Entwicklungspolitik in das AA heißt außerdem nicht, dass damit die Probleme bezüglich der Koordination mit anderen Politikbereichen gelöst wären.
Unabhängig davon, wie genau die Entwicklungspolitik in einer zukünftigen Bundesregierung abgebildet wird, stehen wichtige Aufgaben an. Dazu gehört unter anderem, die Lücken zu schließen, die der Trumpsche Kahlschlag bei USAID hinterlassen hat, gerade im Gesundheitssektor und bei der humanitären Unterstützung. Schließlich wird in der neuen Legislatur auch eine deutsche oder europäische Haltung zu einer post-2030-Agenda zu entwickeln sein. Dies wird entscheidend beeinflussen, ob und in welcher Konstellation die internationale Gemeinschaft oder eine Koalition der Willigen sich darauf einigen kann, wie unsere Welt im Jahr 2050 aussehen soll.
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Gandhi, Aditya R., Linda-Gail Bekker, A. David Paltiel, Emily P. Hyle, Andrea L. Ciaranello, Yogan Pillay, Kenneth A. Freedberg, und Anne M. Neilan (2025), Potential Clinical and Economic Impacts of Cutbacks in the President’s Emergency Plan for AIDS Relief Program in South Africa, in: Annals of Internal Medicine.
Gurol-Haller, Julia und Johannes Plagemann (2025), Der Globale Süden und die deutsche Außenpolitik: Was auf die neue Bundesregierung zukommt, GIGA Focus Global, 1, März, Zugriff 17. März 2025.
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