GIGA Focus Middle East

Breadbasket and Conflict Zones: Land Investments in the Republic of Sudan

Number 2 | 2018 | ISSN: 1862-3611


  • A farmer rides his donkey across the fields in Sudan.
    © flickr / UN Photo / Albert Gonzalez Farran

    In October 2017, after more than two decades, the United States lifted most of their economic sanctions on the Republic of Sudan. This move will contribute to opening the country up for international land investments. Barely any other state has larger areas of arable land than Sudan. However, an increase in land acquisitions also risks contributing to the escalation of the country’s ongoing violent conflicts.

    • Since 2011 alone, the government of Sudan has granted land concessions amounting to an estimated eight million hectares to international investors – which is roughly the size of Austria.

    • Sudan expects these investments to contribute substantially to the country’s economic growth, employment, and food security for large parts of the population.

    • Large tracts of purchased land have previously been used by smallholders and pastoral groups. Land expropriations deprive these communities of the economic foundations of their subsistence. This has triggered counteractions that have repeatedly turned violent. There is a risk that the “losers” in large-scale land deals will support violent opposition movements in the country’s main conflict zones.

    • Few other countries display a higher perceived level of corruption than Sudan. Non-governmental organisations point out that several land concessions relied on the illicit practices of Sudanese elites. The lack of the rule of law is an important driver of the escalating effects of large-scale land acquisitions in Sudan.

    Policy Implications

    International land investments can contribute to improving the living conditions of the population in Sudan. However, the socio-economic and political risks related to such investments can only be averted through comprehensive reforms of the country’s land law and administration. This will ensure that the affected rural populations adequately profit from land investments.

    Landinvestitionen und „Land Grabbing“

    Als Ziel internationaler Direktinvestitionen hat die Republik Sudan in den vergangenen Jahrzehnten eine vergleichsweise kleine Rolle gespielt. Kurz nach Beginn des mehr als 20 Jahre anhaltenden Bürgerkrieges mit dem Südsudan im Jahr 1983 war von der amerikanischen Regierung ein Handelsembargo gegen den Sudan verhängt worden und zahlreiche westliche Staaten hatten ihre Hilfsleistungen weitgehend eingestellt – darunter auch Deutschland. Im Oktober 2017 hoben die USA weite Teile ihrer Handelsrestriktionen auf. Vor diesem Hintergrund erwarten Experten künftig eine massive Zunahme internationaler Investitionen – vor allem in der großflächigen mechanisierten Landwirtschaft.

    In diesem Kontext wird häufig der negativ konnotierte Begriff „Landraub“ (englisch „Land Grabbing“) verwendet. Er bezieht sich auf die Übertragung der Besitz- oder Nutzungsrechte großer Landflächen auf nationale oder ­internationale Investoren ohne ausreichende Kompensation der lokalen Bevölkerung. Häufig wird der Begriff in Bezug auf den Ankauf von Landflächen in Schwellen- und Entwicklungsländern für den Anbau und den Export landwirtschaftlicher Produkte verwendet. Immer wieder berichtet die Presse über negative sozioökonomische und politische Folgen solcher Investitionen. Im Vordergrund steht die Enteignung und Vertreibung von Kleinbauern, die wirtschaftliche Verarmung der betroffenen Bevölkerung und die Intensivierung von Verteilungskonflikten um knappe Güter wie Wasser und landwirtschaftliche Flächen.

    Weltweit haben sich Investoren seit dem Jahr 2000 die Rechte an Landflächen mit einer Gesamtgröße von mehr als 40 Mio. Hektar in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen gesichert (Nolte, Chamberlain und Giger 2016). Zu den am stärksten betroffenen Ländern gehören Kambodscha, Liberia und Nigeria. Beobachter prognostizieren, dass der Sudan sich in den kommenden Jahren in die Liste der „Hotspots“ internationaler Landinvestitionen einreihen wird. Kaum einem anderen Land wird ein höheres ungenutztes landwirtschaftliches Potenzial zugesprochen.

    Mit welchen Folgen ist bei einer solchen Zunahme von Landinvestitionen im ­Sudan zu rechnen? Während Berichte über gewaltsame Proteste gegen Landnahmen hohe mediale Aufmerksamkeit erhalten, betont die Regierung die potenziellen positiven Effekte in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung, den Technologietransfer und die Entstehung von Arbeitsplätzen. Dieser GIGA Focus betrachtet den Stand und die bisherigen Folgen von Landinvestitionen im Sudan. Im Vordergrund ­stehen die möglichen Auswirkungen auf bestehende soziale und politische Konflikte.

    Der Brotkorb Afrikas und des Nahen Ostens

    Die Landwirtschaft trägt rund 35 Prozent zum sudanesischen ­Bruttosozialprodukt bei; die Hälfte der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Zu den zentralen landwirtschaftlichen Produkten gehören Hirse, Baumwolle, Erdnüsse, Sesam und Zuckerrohr. Der Sektor ist bislang von arbeitsintensivem Regenfeldbau durch Kleinbauern geprägt. Entsprechend hoch ist das Potenzial, die Produktivität durch eine Ausweitung der mechanisierten Landwirtschaft zu steigern.

    Bereits vor der Aufhebung des amerikanischen Handelsembargos hat das internationale Interesse an Landinvestitionen im Sudan zugenommen, angetrieben unter anderem durch das globale Bevölkerungswachstum, den weltweiten Anstieg der Nahrungsmittelpreise und die zunehmende Bedeutung von Biokraftstoffen (Elhadary und Abdelatti 2016: 26). Gleichzeitig sah sich die sudanesische Regierung nach der Abspaltung des Südsudan im Jahr 2011 und den damit einhergehenden finanziellen Einbußen in der Erdölindustrie gezwungen, alternative Einnahmequellen zu erschließen. Mit der weiteren Öffnung des Sudan für internationale Landinvestitionen verbindet sich die Hoffnung der Regierung, die ­Beschäftigungssituation, die Ernährungssicherheit und die technologische Entwicklung des Landes zu verbessern (SDFG 2016: 22). Dabei verfolgt die sudanesische Regierung das ehrgeizige Ziel, sich zum „Brotkorb“ der gesamten arabischen Welt zu entwickeln.

    Über das genaue Ausmaß der internationalen Landinvestitionen existieren ­keine verlässlichen Statistiken. Für eine zumindest grobe Einschätzung haben wir Informationen verschiedener Datenbanken und Zeitungsberichte zusammengetragen und ausgewertet. Da die Details einzelner Investitionen kaum an die Öffentlichkeit gelangen, ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse unserer Recherche das tatsächliche Ausmaß der Landinvestitionen bei weitem nicht vollständig erfassen können. In Bezug auf nationale Investitionen ist die Informationslage noch lücken­hafter und es gibt auch hierzu keine öffentlich zugänglichen Statistiken. Zudem finden solche Investitionen kaum Eingang in die nationale oder internationale Presseberichterstattung. Deshalb konzentriert sich unsere Rekonstruktion auf internationale Landnahmen.

    Ungeachtet dieser Einschränkungen verdeutlichen unsere Erhebungen das immense Ausmaß der Landinvestitionen im Sudan. Unseren Schätzungen zufolge hat die sudanesische Regierung seit dem Jahr 2011 Konzessionen mit einer Gesamt­fläche von mehr als acht Millionen Hektar an internationale Investoren erteilt. Der Großteil der Investitionen entfällt auf die mechanisierte Landwirtschaft. Größere Konzessionen erteilte die sudanesische Regierung aber auch für Ölbohrungen und für den Abbau von Gold und anderen Edelmetallen.

    Der Großteil der internationalen Investitionen stammt aus dem Nahen Osten – darunter insbesondere aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei, Kuwait und Ägypten. Unter den Hauptinvestoren finden sich jedoch auch asiatische Staaten wie China oder Südkorea. Zu den größten Einzelinvestitionen der vergangenen Jahre gehören Konzessionen an die Vereinigten Arabischen Emirate in Höhe von fast einer Million Hektar (2015), an Saudi-Arabien in Höhe von 420.000 Hektar (2015) und an China in Höhe von fast 200,000 Hektar (2016).

    Grafik Landinvestitionen 2011-2017 – investierende Staaten (Angaben in Hektar)
    © Eigene Darstellung; die Abbildung beinhaltet nur die 10 größten Investoren
    Schaubild 1: Landinvestitionen 2011-2017 – investierende Staaten (Angaben in Hektar)

    Schaubild 1 zeigt die Herkunft der von uns erfassten internationalen Landinvestitionen in den Jahren 2011 bis 2017.

    Die internationalen Investitionen sind im Osten des Landes konzentriert – insbesondere in den fruchtbareren Regionen entlang großer Flussläufe. Auf den Süden und Westen des Landes entfallen kaum internationale Investitionen. Neben den unvorteilhaften ökologischen Rahmenbedingungen (Klima und ­Bodenbeschaffenheit) im westlichen Darfur wirken anhaltende gewaltsame Auseinandersetzungen in beiden Regionen als zentrale Investitionshindernisse (siehe unten). Schaubild 2 illustriert die räumliche Verteilung internationaler Landinvestitionen gemäß unserer Recherche.

    Grafik Landinvestitionen 2011-2017 per Region im Sudan
    © Eigene Darstellung; das Schaubild dient allein der geographischen Illustrierung und impliziert nicht die Anerkennung spezifischer Grenzen durch den Autor oder das GIGA
    Schaubild 2: Landinvestitionen 2011-2017 per Region im Sudan

    Die sozioökonomischen Folgen

    Die Folgen der Investitionen variieren von Region zu Region. In einigen Fällen haben große landwirtschaftliche Investitionsprojekte dringend benötigte Beschäftigungsmöglichkeiten geschaffen und so zur lokalen wirtschaftlichen Entwicklung und Armutsreduzierung beigetragen (SDFG 2016: 20). Sudanesische zivilgesellschaftliche Gruppierungen betonen jedoch, dass die negativen sozioökonomischen Effekte in den meisten Fällen überwiegen. Insbesondere der rasante Anstieg der teilweise oder vollständig mechanisierten Landwirtschaft zeitige mitunter verheerende Folgen. So ist die landwirtschaftliche Fläche unter teilmechanisierter Landwirtschaft von 90.000 Hektar Anfang der 1970er Jahre auf 6 Millionen Hektar in den 1990er Jahren und schließlich auf 13 Millionen Hektar im Jahr 2015 angestiegen (SDFG 2016: 18).

    Dieser Zuwachs findet zulasten von Kleinbauern und nomadischen Viehzüchtern statt. Zwar begründet die sudanesische Regierung das landwirtschaftliche Investitions- und Produktionspotenzial des Landes auch mit Verweis auf große „ungenutzte“ landwirtschaftliche Flächen. De facto ist jedoch davon auszugehen, dass kaum fruchtbare Flächen tatsächlich ungenutzt sind. Im Investitions-Diskurs der Regierung bezieht sich der Begriff vielmehr auf die mangelnde formale Registrierung von Landflächen. In der Praxis wird ein großer Teil der nutzbaren Flächen durch Kleinbauern bewirtschaftet und/oder von Viehzüchtern als Weideland genutzt – in beiden Fällen ist die Nutzung auf traditionellem kommunalem Recht begründet, aber nicht formalrechtlich dokumentiert.

    Die Übertragung solcher Flächen an internationale oder nationale Investoren drängt ehemalige Bauern in die saisonale Beschäftigung in landwirtschaftlichen Großbetrieben; andere suchen Zuflucht im informellen Sektor in den urbanen Zentren des Landes. Wieder andere versuchen ihren Lebensunterhalt auf einer der zahlreichen formellen oder informellen Goldminen des Landes zu verdienen. Dort, wo die vertriebenen Bauern alternative landwirtschaftliche Nutzflächen bebauen, besteht das Risiko, dass es zu wiederholten Enteignungen kommt, wobei vertriebene Bauern wieder andere verdrängen (SDFG 2016). Darüber hinaus zwingt die Verbreitung mechanisierter Großfarmen pastorale Bevölkerungsgruppen dazu, ihre traditionellen Migrationsrouten anzupassen; häufig liegen dringend benötigte Wasserstellen in umzäunten landwirtschaftlichen Flächen. Als Folge müssen Viehzüchter weitere Strecken zurücklegen – mit einem erhöhten Risiko für ihre Herden und den entsprechenden wirtschaftlichen Ertrag.

    Schließlich wirkt sich die Ausweitung der mechanisierten Landwirtschaft vielerorts auch negativ auf die lokale Nahrungsmittelversorgung aus. Ein großer Anteil der internationalen Investitionen dient der landwirtschaftlichen Produktion für internationale Märkte – insbesondere zur Erhöhung der Nahrungsmittelsicherheit in den investierenden Ländern. Gleichzeitig verdrängen Großfarmen die Subsistenzlandwirtschaft. Trotz der Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion im Sudan ist die Abhängigkeit der Bevölkerung von internationalen Nahrungsmittelhilfen gestiegen (Elhadary und Abdelatti 2016). Die Welternährungsorganisation Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) stufte Ende 2017 mehr als 10 Prozent der Bevölkerung des Sudan als akut „ernährungsunsicher“ ein.

    Anhaltende Gewalt im Westen und Süden des Sudan

    Die beschriebenen sozioökonomischen Effekte entfalten sich in einem Kontext anhaltender Gewaltkonflikte. Im Westen und Süden des Landes kämpfen organisierte Rebellengruppierungen gegen die wirtschaftliche und politische Marginalisierung lokaler Bevölkerungsgruppen durch die nationale Regierung unter Präsident Omar al-Bashir. Die Intensität des seit dem Jahr 2003 anhaltenden Konfliktes in der westlichen Region Darfur konnte durch einen jeweils unilateral von Seiten der Regierung und der Rebellen verkündeten Waffenstillstand im Jahr 2016 deutlich reduziert werden. Ähnlich verhält es sich in den südlichen Bundesstaaten Südkordofan und Blauer Nil. Die andauernden Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und Teilen der Sudan People‘s Liberation Movement/Army-North (SPLM/A-North) haben auch hier das Gewaltniveau gesenkt. Dennoch bleibt die Sicherheitssituation in beiden Regionen instabil – immer wieder kommt es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Rebellengruppierungen, Milizen und staatlichen Sicherheitskräften.

    Die organisierte Gewalt im Westen und Süden des Landes ist eng mit lokalen Verteilungskämpfen um natürliche Ressourcen verflochten, von denen auch Regionen im Zentrum und Osten des Landes betroffen sind. Mitglieder unterschiedlicher arabischer und afrikanischer Bevölkerungsgruppen konkurrieren um Zugänge zu natürlichen Ressourcen wie Wasser, Land und Gold – miteinander und untereinander. Die Gewalt ist insbesondere von Angriffen auf die zivile Bevölkerung der jeweils gegnerischen Gruppierungen und entsprechende Rachefeldzüge geprägt. Das Ziel der Gewalt besteht häufig in der Vertreibung aus fruchtbaren Regionen, dem Diebstahl von Viehherden oder der Kontrolle über Goldminen.

    Über diese manifeste Gewalt hinaus kommt es im Sudan immer wieder zu politischen Protesten unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppierungen gegen die Politik der amtierenden Regierung. In den vergangenen Jahren richtete sich die Opposition vor allem gegen die Einschränkung von Freiheitsrechten, steigende Lebensmittelpreise und die Kürzung staatlicher Subventionen. Nicht selten befördert das rigorose Eingreifen der staatlichen Sicherheitskräfte die gewaltsame Eskalation von Protesten.

    Große Landinvestitionen beeinflussen alle drei Konfliktkonstellationen. Wenngleich Investitionen in den südlichen Regionen in Folge der Gewalt deutlich zurückgegangen sind, wirken verbleibende Investitionsprojekte gewaltfördernd. Die Sicherung traditioneller Landrechte stellt eine wichtige Forderung verschiedener Widerstandsbewegungen dar. Mitglieder der ethnischen Gruppe der Nuba werfen der Regierung vor, wirtschaftliche Interessen an Landinvestitionen auf Kosten der lokalen Bevölkerung zu verfolgen. Die weit verbreitete Enteignung lokaler Farmer hat zu tiefen Frustrationen geführt und die Unterstützung bewaffneter Gruppen befördert (El Amin 2016; Elhadary und Abdelatti 2016: 30).

    Landnahmen verstärken zudem die Konflikte zwischen sesshaften Bauern, zwischen Bauern und Pastoralisten sowie zwischen beiden Gruppierungen und den Besitzern großer mechanisierter Farmen. Besonders betroffen sind unter anderem die Regionen, in denen sich auch die Landnahmen konzentrieren. In den virulenten Konfliktregionen im Süden und Westen des Landes verschmelzen solche lokalen Konflikte mit der organisierten Gewalt – insbesondere dann, wenn die gegenüberstehenden ethnischen Gruppen denselben Konfliktkonstellationen entsprechen (El Amin 2016: 11-12).

    Schließlich führen Landinvestitionen auch immer wieder zu dezentralen Protestbewegungen und Ausschreitungen gegen staatliche Institutionen und die staatliche Landpolitik. Besonders hohe mediale Aufmerksamkeit haben gewaltsame Zusammenstöße im Umfeld der Hauptstadt Khartum erhalten. Ein Großteil der Landflächen wurde hier bereits in privaten Besitz übertragen. Bei dem Versuch, die verbleibenden kommunalen Nutzflächen zu privatisieren, kommt es zu erheblichen Gegenreaktionen der lokalen Bevölkerung mit bis zu mehreren hundert Demonstranten, gefolgt von repressiven staatlichen Maßnahmen (SDFG 2016). So formierten sich beispielsweise im Jahr 2013 in Oum Doum, im Jahr 2015 im Jarif-Quartier in Khartum und im Jahr 2017 in Oum Kati größere Proteste, bei denen Demonstranten Straßen blockierten und in gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei gerieten. Die Sicherheitskräfte gingen mit besonderer Härte gegen die Demonstranten vor und es waren mehrere Todesfälle zu verzeichnen.

    Die Rolle von Institutionen im Sudan

    Der konfliktfördernde Effekt der Landnahmen resultiert vor allem aus der schwachen Regierungsführung des Sudan. In der Umsetzung von Enteignungen macht sich die Verwaltung die einseitige Gesetzeslage zu Nutze: Das sudanesische Landrecht aus den 1970er Jahren erkennt traditionelle Besitzrechte nicht länger an und überträgt jegliches, nicht formal registriertes Land in die Kontrolle der Regierung. Damit hebt es lang zurückreichende Traditionen der kommunalen informellen Landverwaltung auf. Im Jahr 1996 wurde die Gesetzgebung weiter verschärft: Per Dekret schloss die Regierung jegliche rechtliche Schritte gegen staatliche Inbesitznahmen von Landflächen de facto aus. Im Jahr 2013 hat die Regierung zudem ein Gesetzespaket erlassen, das die Rechte internationaler Investoren ausbaut. Neben Steuererleichterungen und Schutz vor rechtlicher Verfolgung im Sudan beinhalten die Maßnahmen neue Mindestfristen für die Räumung und Übergabe beanspruchter Landflächen (SDFG 2016: 15).

    Diese gesetzlichen Grundlagen kennen große Bevölkerungsteile nicht. Bis ­heute sind viele Gemeinden davon überzeugt, gemäß traditioneller kommunaler Gesetzgebung Anspruch auf die von ihnen genutzten Landflächen zu haben. Vor allem der ländlichen armen Bevölkerung fehlen das Wissen und die Ressourcen für eine formale Registrierung bei der staatlichen Verwaltung. Konflikte treten auf, wenn sich die Regierung zur Erteilung von Konzessionen an nationale oder internationale Investoren auf das formale Landrecht beruft. Ist die betroffene Bevölkerung nicht in der Lage, formale Besitzurkunden vorzulegen, erlaubt die Gesetzgebung eine zeitnahe Räumung durch staatliche Sicherheitskräfte. Da es sich bei diesen Prozessen formalrechtlich gesehen nicht um eine Enteignung, sondern um eine staatliche Beanspruchung „ungenutzter“ Landflächen handelt, haben die Betroffenen in der Regel auch keinen Rechtsanspruch auf eine entsprechende Kompensation (Elhadary und Abdelatti 2016: 27; El Amin 2016; SDFG 2016: 12).

    Menschenrechtsorganisationen werfen der Regierung des Sudan vor, ihren großen und kaum kontrollierten Handlungsspielraum in der Landverwaltung zu nutzen, um einzelne Bevölkerungsgruppen und staatsnahe Eliten zu Lasten der breiten Bevölkerung zu bevorzugen. Das staatliche Landrecht basiert zum Teil auf Grundsätzen des islamischen religiösen Rechts. Unter anderem ermöglicht es auch die Formalisierung von Besitzansprüchen, die in ungeschriebenen islamischen Rechtstraditionen („Urf“) begründet sind. Damit eröffnet die Gesetzgebung der muslimischen Bevölkerung Rechtswege, die anderen Bevölkerungsteilen – etwa der christlichen Bevölkerung oder den Anhängern traditioneller afrikanischer Religionen im Süden des Landes – verwehrt bleiben (SDFG 2016: 12-13).

    Darüber hinaus erleichtert es die formale staatliche Gesetzgebung ­insbesondere der gebildeten urbanen Elite, Landflächen zu relativ geringen Preisen gegen den Widerstand der betroffenen Kleinbauern und der ländlichen Bevölkerung zu ­kaufen (SDFG 2016: 14). Unter den Käufern finden sich vor allem ehemalige Staatsbedienstete, Offiziere und Händler (Elhadary und Abdelatti 2016: 28). Häufig erhalten sie direkte staatliche Unterstützung in Form von zinsverbilligten Darlehen oder Subventionen für landwirtschaftliche Maschinen und Treibstoff.

    Laut der internationalen Nichtregierungsorganisation Transparency International weist der Sudan eines der weltweit höchsten Niveaus wahrgenommener Korruption auf. Die mangelnde Transparenz und Rechtstaatlichkeit erstreckt sich auch auf die Landverwaltung; Systeme zur Verfolgung und Ahndung illegaler Prozesse in der Landregistrierung sind de facto nicht vorhanden. In dem Maße, in dem die Profite der Investitionen steigen, erhöht sich somit auch das Korruptionsrisiko – in Form von Bestechungen von Staatsbeamten für den privilegierten Zugang zu Informationen und Investitionsmöglichkeiten, der eigenen Sicherung besonders ertragreicher Landinvestitionen durch zuständiges staatliches Personal, Schwarzgeldzahlungen im Rahmen von internationalen Investitionen und Fehlverwendungen von erzielten Investitionsgewinnen (SDFG 2106: 2).

    Inklusive Verteilung von Investitionsgewinnen im Sudan

    Zweifellos kann die Ausweitung moderner landwirtschaftlicher Produktionsmethoden zur wirtschaftlichen Entwicklung und Ernährungssicherheit im Sudan beitragen. Internationale Landinvestitionen können diesen Prozess fördern, Arbeitsplätze schaffen und den Technologietransfer unterstützen. Vorrausetzung für die Realisierung solcher positiven Potenziale ist eine inklusive, transparente und rechts-staatliche Landverwaltung.

    In der Vorbereitung von Investitionsprojekten wird die betroffene Bevölkerung in der Regel nicht konsultiert. Wenn ein entsprechender Austausch stattfindet, ist dieser häufig auf lokale Eliten beschränkt, die nicht selten eigene Interessen im Hinblick auf die Landinvestitionen verfolgen. Auch führen die zuständigen staatlichen Stellen keine systematische Analyse und Bewertung der eventuellen sozioökonomischen und ökologischen Folgen der Investitionsprojekte durch (SDFG 2016: 22). Die effektive Abfederung der möglichen konfliktfördernden Effekte von Land­investitionen erfordert eine Stärkung der partizipativen Planung, der vorbereitenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Risikobewertung und einer darauf basierenden Kompensation der betroffenen Bevölkerung.

    Die fehlende staatliche Anerkennung kommunaler Landverwaltung ist eine zentrale Ursache der konfliktfördernden Effekte von Landinvestitionen. Für die Reduzierung solcher intendierter Konsequenzen ist eine Reform des Landrechts erforderlich, die darauf abzielt, traditionelle Ansprüche und Landnutzungssysteme von Kleinbauern und nomadischen Bevölkerungsgruppen anzuerkennen und in die formale staatliche Gesetzgebung zu integrieren. Eine Möglichkeit bestünde darin, eine kollektive Registrierung von gemeinschaftlich genutztem kommunalen Land zu ermöglichen und damit die lokale Bevölkerung besser vor Zugriffen von internationalen Investoren zu schützen.

    Eine solche Reform erfordert effektive Schutzmaßnahmen gegen die verbreitete Korruption in der Landverwaltung, die jedoch bislang fehlen. Ein entscheidender Bestandteil entsprechender Reformen ist die Schaffung effektiver und transparenter Verwaltungsstrukturen, die bis auf die lokale Ebene reichen und es auch marginalisierten Bevölkerungsteilen ermöglichen, direkt mit der Verwaltung zu interagieren und ihre Interessen zu artikulieren. Eine weitere Voraussetzung ist die Implementierung zugänglicher juristischer Kanäle, damit die betroffene Bevölkerung die Möglichkeit erhält, formaljuristisch gegen illegitime Enteignungen und andere negative Folgen von Landinvestitionen vorzugehen.


    Footnotes


      References


      Research Programmes

      How to cite this article

      De Juan, Alexander, and Michael Schiess (2018), Breadbasket and Conflict Zones: Land Investments in the Republic of Sudan, GIGA Focus Middle East, 2, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-57107-3


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      The German Institute for Global and Area Studies (GIGA) – Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg publishes the Focus series on Africa, Asia, Latin America, the Middle East and global issues. The GIGA Focus is edited and published by the GIGA. The views and opinions expressed are solely those of the authors and do not necessarily reflect those of the institute. Authors alone are responsible for the content of their articles. GIGA and the authors cannot be held liable for any errors and omissions, or for any consequences arising from the use of the information provided.

      Dr. Alexander De Juan

      Dr. Alexander De Juan

      Former GIGA Team member


      Michael Schiess

      Michael Schiess

      University of Zurich



      Comparative Political Studies | 2017

      “Traditional” Resolution of Land Conflicts: The Survival of Precolonial Dispute Settlement in Burundi

      Dr. Alexander De Juan

      Former GIGA Team member

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