GIGA Focus Lateinamerika
Nummer 12 | 2009 | ISSN: 1862-3573
Im Dezember 2004 wurden in Lateinamerika fast zeitgleich zwei neue Regionalbündnisse ins Leben gerufen: die von Venezuela und Kuba als anti-neoliberales Bündnis gegründete "Bolivarische Alternative – inzwischen: Allianz – unserer Amerikas" (ALBA); und die von allen Präsidenten Südamerikas (wohlgemerkt ohne Mexiko, Zentralamerika oder die Karibik) ins Leben gerufene Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR; ursprünglich unter dem Namen Gemeinschaft Südamerikanischer Nationen – CSN).
Analyse Welche Integrationserfolge haben ALBA und UNASUR in zentralen Politikfeldern (Infrastruktur, Sicherheit, Soziales) nach ihrem jeweils fünfjährigen Bestehen zu verbuchen? Streben die Führungsmächte Brasilien und Venezuela überhaupt funktionale Integrationsprozesse mit inklusiven Institutionen an oder steht die Usurpation der Bündnisse als geopolitische Machtbasis im Vordergrund ihrer Regionalpolitik?
Im Zuge dieser neuen, stark politisch motivierten Integrationsdynamik sind ältere Kooperationsprozesse mit vorwiegend wirtschafts- und handelspolitischen Zielen, wie der Gemeinsame Markt des Südens (MERCOSUR) und die Andengemeinschaft (CAN) in den Hintergrund getreten.
Die von Brasilien angeführte UNASUR hat in den letzten Jahren sowohl in den Bereichen Infrastruktur und Energie als auch im regionalen Sicherheits- und Verteidigungssektor substanzielle Fortschritte erzielt.
ALBA hat sich politisch etabliert und ist auf neun Mitgliedsstaaten angewachsen. In der konkreten Umsetzung dagegen können allenfalls Achtungserfolge im Energie- und Infrastruktursektor attestiert werden. Gleiches gilt für die Politikfelder Bildung und Gesundheit: Die umgesetzten Projekte sind häufig stärker an ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit als an ihrer Funktionalität ausgerichtet.
Während sich die Entwicklung der ALBA unter der Ägide von Hugo Chávez stärker auf der Diskursebene und über ressourcengestützte Scheckbuchdiplomatie vollzieht, bemühen sich die UNASUR-Staaten zielstrebiger darum, institutionelle Strukturen zu schaffen.
Doch auch die brasilianische Regionalmacht ist nicht bereit, die politischen und wirtschaftlichen Integrationskosten zu tragen. Denn Machtteilung qua demokratisch-partizipative Regionalinstitutionen liegt nicht im nationalen Interesse der werdenden Großmacht.
Solange UNASUR und MERCOSUR im Zustand latenter Institutionalisierung verharren, bleibt Brasilien der Ansprechpartner für externe Akteure (USA, EU, Deutschland). Venezuela bleiben dagegen die besonderen Beziehungen zu Iran, Russland, Weißrussland und Libyen.
Flemes, Daniel, und Lotte Westermann (2009), Konkurrierender Regionalismus: Fünf Jahre UNASUR und ALBA, GIGA Focus Lateinamerika, 12, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-274744
Der GIGA Focus ist eine Open-Access-Publikation. Sie kann kostenfrei im Internet gelesen und heruntergeladen werden unter www.giga-hamburg.de/de/publikationen/giga-focus und darf gemäß den Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz Attribution-No Derivative Works 3.0 frei vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies umfasst insbesondere: korrekte Angabe der Erstveröffentlichung als GIGA Focus, keine Bearbeitung oder Kürzung.
Das German Institute for Global and Area Studies (GIGA) – Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg gibt Focus-Reihen zu Afrika, Asien, Lateinamerika, Nahost und zu globalen Fragen heraus. Der GIGA Focus wird vom GIGA redaktionell gestaltet. Die vertretenen Auffassungen stellen die der Autorinnen und Autoren und nicht unbedingt die des Instituts dar. Die Verfassenden sind für den Inhalt ihrer Beiträge verantwortlich. Irrtümer und Auslassungen bleiben vorbehalten. Das GIGA und die Autorinnen und Autoren haften nicht für Richtigkeit und Vollständigkeit oder für Konsequenzen, die sich aus der Nutzung der bereitgestellten Informationen ergeben.