GIGA Focus Africa
Number 5 | 2018 | ISSN: 1862-3603
Elections are held regularly in almost all African states. Allegations of electoral manipulation, which can lead to enduring political conflicts, occur almost as often. It is frequently assumed that courts can contribute to free and fair elections by independently adjudicating on electoral disputes. In practice, however, it is difficult for courts to fulfil these noble expectations.
In democracies, political conflicts are expected to be resolved by formal institutions. All over Africa, courts are vested with the power to adjudicate on electoral disputes – and opposition politicians use them to lodge petitions. Recent examples can be found in Madagascar, Sierra Leone, and Zimbabwe. Plaintiffs have complained about, among other issues, electoral laws that exclude promising candidates, erroneous electoral registers, and the counting of votes from “ghost” polling stations.
The later that courts intervene in electoral processes, the more difficult is it for them to have a positive influence on them. After election day they can only rectify the voting process by annulling the results, but the financial and political costs of election cancellations are tremendous – as could be observed in the Kenyan case in 2017.
The motivation for and the implementation of courts’ judgments are dependent on the interplay with other well-functioning institutions. When the whole institutional system is under pressure, courts also reach their limits.
Courts need to be empowered to fulfil their core tasks within electoral processes. Programmes of electoral support should comprise components dealing with electoral dispute resolution, for which judges, candidates, electoral commissions, and citizens alike are all trained. These programmes should be amended by broader rule-of-law programmes that also encompass the lower judicial levels. However, swift progress cannot be expected.
Wahlen gehören zum politischen Alltag in Subsahara-Afrika. Seit den frühen 1990er-Jahren werden die höchsten politischen Ämter in den meisten afrikanischen Ländern durch Mehrparteienwahlen besetzt. Es gibt nur noch vier afrikanische Länder, in denen noch nie das Regierungsoberhaupt gewählt wurde. In Eritrea, Somalia und Südsudan haben noch nie Wahlen stattgefunden, während im Königreich Eswatini (ehemals Swasiland) bisher lediglich Teile des Parlaments und diese ohne Mehrparteienwettbewerb zur Wahl standen. Zur Geschichte des Siegeszugs der Wahlen in Afrika gehört allerdings auch, dass diese nicht nur in Demokratien stattfinden, sondern auch in Autokratien. Während es auf der einen Seite empirische Belege für eine demokratiestützende Funktion von Wahlen gibt, gilt auf der anderen Seite auch der umgekehrte Effekt: Wahlen erhöhen die Stabilität autoritärer Regime (Cheeseman und Klaas 2018; Van Ham und Lindberg 2018). Dreh- und Angelpunkt dieser unterschiedlichen Wirkweisen von Wahlen ist deren Qualität, also die Frage, wie frei und fair sie sind. Gerade an dieser Qualität mangelt es in vielen Ländern, allerdings gibt es dabei eine große Bandbreite auf dem Kontinent. Während die Wahlen in Ghana, Namibia oder Botswana in jüngsten Jahren als frei und fair gelten, kann das nicht von Wahlen in Angola oder Simbabwe behauptet werden (Grömping und Coma 2015). Von 286 Mehrparteienwahlen, die zwischen den Jahren 1986 und 2012 in Afrika stattfanden, schätzten Experten 46 Prozent als frei und fair ein. Weitere 28 Prozent wurden als nicht frei und fair und 26 Prozent als von gemischter Qualität angesehen (Van Ham und Lindberg 2015: 529).
Wahlen können auf vielfältige Weise und zu unterschiedlichen Zeitpunkten, nämlich vor, während und nach der Wahl manipuliert werden. Der früheste Zeitpunkt, um die Wahlen im Sinne der Regierenden zu beeinflussen, ist die Ausarbeitung des Wahlgesetzes. Dort werden die Spielregeln festgelegt und entschieden welches Wahlsystem angewandt wird, welche Kriterien Kandidaten erfüllen müssen oder welchen Zuschnitt die Wahlkreise haben sollen. In der Demokratischen Republik Kongo wurde zum Beispiel wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl im Jahr 2011 die Stichwahl abgeschafft. Seither muss der künftige Präsident nur die einfache Mehrheit der Stimmen und nicht mehr die absolute gewinnen. Die Frage, welche Institutionen für die Organisation und Überwachung des Wahlprozesses zuständig sind, bietet ebenfalls Möglichkeiten der Einflussnahme. In vielen afrikanischen Ländern werden Wahlkommissionen zumindest mit der Überwachung der Abläufe beauftragt. Die Unabhängigkeit dieser Kommissionen kann jedoch durch parteiische Besetzungen oder unzureichendes Budget beeinträchtigt werden. Ein großes Streitthema sind Wählerlisten, auf denen Verstorbene weitergeführt werden, Oppositionsanhänger nicht aufgenommen werden, Phantomidentitäten oder in Grenzgebieten auch Bürger der Nachbarländer hinzugefügt werden können. Bei der Registrierung der Kandidaten können entweder Regeln für Oppositionskandidaten besonders streng ausgelegt werden oder die Regeln im Vorfeld so angepasst werden, dass aussichtsreiche Kandidaten nicht antreten können. So wurden beispielsweise im Jahr 1995 in der Elfenbeinküste die Anforderungen der Staatsbürgerschaft und die Residenzpflicht so im Wahlgesetz angepasst, dass der damalige aussichtsreiche Oppositionskandidat Alassane Ouattara nicht antreten konnte. Im Wahlkampf können Amtsinhaber staatliche Ressourcen wie Dienstfahrzeuge oder Beamte für ihre Zwecke missbrauchen oder den staatlichen Rundfunk dominieren, um sich Vorteile zu verschaffen. Am Wahltag selbst können Stimmen gefälscht, Oppositionsanhänger am Wählen gehindert oder Wahllokale ohne Ankündigung verlegt werden. Bei der Auszählung der Stimmen können Wahlzettel falsch zugeordnet oder die Ergebnisse fehlerhaft übermittelt werden. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass Manipulationen in afrikanischen Wahlprozessen insbesondere in der Phase vor der Wahl auftreten (Simpser 2013).
In Wahlen wird über die Verteilung von Macht entschieden und politische Ämter ermöglichen in Afrika weiterhin den Zugang zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ressourcen. Aus diesen Gründen können sie leicht Gegenstand von Konflikten zwischen politischen Parteien werden. Zudem ist die Manipulation von Wahlen an vielen Stellen möglich, was zu weiteren Konflikten führen kann. Aus demokratietheoretischer Sicht ist es wichtig, dass diese Konflikte durch formale Institutionen geregelt werden und nicht durch informelle Verhandlungen oder gewaltsame Auseinandersetzungen. Demokratische formale Institutionen sollen gewährleisten, dass der Wille der Bevölkerung und rechtsstaatliche Prinzipien anstelle von Verhandlungsmacht und Gewalt das Ergebnis beeinflussen. Im Sinne der Gewaltenteilung kommt Gerichten die Aufgabe zu, die Ausübung von Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt zu überprüfen und gegebenenfalls in rechtliche Schranken zu weisen. Dies gilt auch für die Organisation von Wahlen. In der Forschung zu den Bedingungen von freien und fairen Wahlen wird zudem Gerichten im Konfliktfall eine wichtige Rolle zugeschrieben. Demnach können Gerichte durch die unparteiische Verhandlung von Wahldisputen zu freien und fairen Wahlen beitragen. Gerichte können nicht alleine freie und faire Wahlen garantieren. Vielmehr ist ein gesamtes System an Institutionen, wie Wahlkommissionen oder Rundfunkräte, sowie freie Medien, Wahlbeobachtungsmissionen und zivilgesellschaftliche Organisationen notwendig, um saubere Wahlen zu ermöglichen. Zudem ist das Verhalten politischer Eliten und Parteien zentral für die Qualität von Wahlen. Allerdings wird Gerichten zugetraut, dass sie durch ihr unabhängiges Agieren sogar Manipulationen, die durch parteiische Wahlkommissionen entstanden sind, ausgleichen können. Erste empirische Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass in Ländern mit einer unabhängigen Justiz die Qualität von Wahlen tatsächlich höher ist (Birch und Van Ham 2017: 495, 497).
Tatsächlich sind Gerichte in Afrika vielerorts in Wahlprozesse eingebunden. Im frankophonen Afrika sind Verfassungsgerichte mit wichtigen Funktionen der Wahlgerichtsbarkeit betraut. Sie sind für die Verfassungskontrolle der Wahlgesetze, die Registrierung der Kandidaten, die Verkündung der endgültigen Wahlergebnisse und die Verhandlung von Wahldisputen zuständig. Das Ausmaß der Kompetenzen der Gerichte in diesen Feldern hat allerdings eine große Bandbreite. Die meisten Verfassungsgerichte im frankophonen Afrika haben lediglich das Recht Wahlgesetze vor ihrer Verkündung auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen, während die Möglichkeiten zur Verfassungsklage nach der Inkraftsetzung begrenzt sind. Für den ersteren Fall müssen in der Regel bestimmte Akteure wie Parlamentarier das Verfassungsgericht anrufen. Das madagassische Verfassungsgericht verfügte aber zum Beispiel in den Jahren 1992 bis 1998 über eine weitreichendere Macht, da es standardmäßig alle neuen Gesetze kontrollierte und somit größere Einflussmöglichkeiten hatte. Das madagassische Verfassungsgericht verfügt auch über vergleichsweise viel Macht bei der Überprüfung der Wahlergebnisse. Während das senegalesische Verfassungsgericht die Wahlunterlagen nur auf Anfrage durch Kläger überprüft, überprüft das madagassische Gericht selbstständig den Wahlprozess und kann ohne vorherige Klage auf Unregelmäßigkeiten reagieren. Gemein haben aber alle Verfassungsgerichte im frankophonen Afrika, dass sie bei Präsidentschaftswahlen durch die Registrierung der Kandidaten und der Verkündung des Wahlergebnisses ein fester Bestandteil des Wahlprozesses sind. Diese weitreichenden Kompetenzen führen dazu, dass die Gerichte in der Bevölkerung zum Teil eher als Wahlgerichte statt als Verfassungsgerichte wahrgenommen werden. Dies spiegelt sich teilweise auch in dem hohen Anteil von Wahlentscheidungen an der Gesamtzahl der Verfassungsgerichtsentscheidungen wider. Das malische Verfassungsgericht befasste sich beispielsweise im Zeitraum 1994 bis 2011 in etwa zwei Drittel seiner Urteile mit Wahlen (Heemann 2014: 12-13).
Im anglophonen Afrika sind die Zuständigkeiten für Wahldispute breiter auf verschiedene Institutionen verteilt. Als Trend lässt sich erkennen, dass die Obersten Gerichtshöfe in den anglophonen Ländern vorwiegend für Klagen im Zusammenhang mit Präsidentschaftswahlen zuständig sind und dann für solche, die nach der Verkündung der Ergebnisse eingereicht werden. In Kenia entscheidet zum Beispiel die Wahlkommission über alle Klagen, die im Vorfeld von Wahlen eingereicht werden, während der Oberste Gerichtshof über Dispute nach den Ergebnissen entscheidet. In Nigeria und Liberia ist der Oberste Gerichtshof lediglich die letzte Instanz in Wahldisputen, während in Gambia einzig und allein der Oberste Gerichtshof über alle juristischen Streitigkeiten in Parlaments- und Präsidentschaftswahlen richtet. Im lusophonen Afrika lassen sich ebenfalls keine klaren Muster für die Zuständigkeit von Wahldisputen erkennen. Während die Verfassungsgerichte in Mosambik sowie in São Tomé und Príncipe in letzter Instanz über Wahlklagen entscheiden, weist die Verfassung von Kap Verde allgemein den Gerichten die Aufgabe zu, über Wahldispute zu richten.
Afrikanische Gerichte haben allerdings nicht nur die formale Zuständigkeit Wahldispute zu verhandeln, sondern sie werden auch von den Konfliktparteien tatsächlich angerufen. Dies deutet darauf hin, dass sie zunächst als formale Kanäle der Konfliktregulierung akzeptiert sind. Im Jahr 2018 haben bisher in fünf afrikanischen Ländern Präsidentschaftswahlen stattgefunden, nämlich in Sierra Leone, Simbabwe, Mali, Kamerun und Madagaskar. In allen Fällen wurden von Oppositionskandidaten Wahlklagen eingereicht. In Madagaskar hatte bereits im Vorfeld der Wahl ein umstrittenes Wahlgesetz eine politische Krise ausgelöst, die internationale Vermittler nach Madagaskar reisen ließ. Das Verfassungsgericht erklärte schließlich die umstrittenen Passagen für ungültig. In Mali, Kamerun und Simbabwe wurden die Klagen entweder erst gar nicht zugelassen oder abgewiesen. Alle Kläger in diesen Ländern monierten Unregelmäßigkeiten am Wahltag. Sowohl in Mali als auch in Simbabwe beanstandete die Opposition das Fälschen von Wählerstimmen, Ergebnisse von fiktiven Wahllokalen sowie fehlerhafte Auszählungen. In Mali wurde zudem kritisiert, dass in einigen Bezirken die Wahlhelfer und -beobachter der Oppositionsparteien in ihrer Arbeit behindert oder gar aus den Wahllokalen gewiesen worden wären. In Kamerun stellten zwei Oppositionskandidaten das Wahlergebnis insbesondere aufgrund der geringen Wahlbeteiligung im Nord- und Südwesten des Landes infrage. In diesen Teilen Kameruns herrscht derzeit ein gewaltsamer Konflikt zwischen der anglophonen Minderheit Kameruns und der Regierung. Aufgrund eines Wahlboykotts lag die Wahlbeteiligung im Nordwesten daher nur bei etwa fünf Prozent (The New York Times 2018). Die Präsidentin des Verfassungsgerichts wies letztere Bedenken ab, da eine Wahl laut Verfassung innerhalb von 40 Tagen wiederholt werden müsse und dieser Zeitraum ohnehin nicht ausreiche, um die Krise im anglophonen Teil Kameruns zu lösen (Foute 2018a).
Die Beispiele aus dem Jahr 2018 zeigen also, dass die Opposition mit ihren Klagen selten erfolgreich ist. Die Reaktionen der Prozess- und Wahlverlierer auf die Gerichtsurteile offenbaren, wie stark die Gerichte tatsächlich als Konfliktbearbeitungsmechanismus anerkannt sind. Der Ausbruch gewaltsamer Wahlkrisen, in denen Gerichte im Mittelpunkt stehen, ist vergleichsweise selten. Die Krisen des Jahres 2002 in Madagaskar und 2011 in der Elfenbeinküste sind Beispiele hierfür. Im Senegal entschied die Opposition im Jahr 2007 die Parlamentswahlen zu boykottieren, nachdem sie mit Klagen gegen die Präsidentschaftswahlen gescheitert war. In Mali und Kamerun weigerten sich die jeweils stärksten Oppositionskandidaten Soumaila Cissé und Maurice Kamto das Wahlergebnis nach den Entscheidungen der Verfassungsgerichte anzuerkennen und demonstrierten mit ihren Anhängern. Der simbabwische Wahlverlierer Nelson Chamisa kündigte an, bei der afrikanischen Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker eine Klage gegen die Wahl einzureichen. In den diesjährigen Fällen war der Protest der Wahlverlierer nicht stark genug, um die weiteren politischen Abläufe zu stören. Allerdings hat die gerichtliche Verhandlung von Wahldisputen auch nicht zu einem größeren Vertrauen in die Fairness der Wahlen beigetragen.
Gerichtsentscheidungen können aber auch einen positiven Einfluss auf künftige Wahlen haben, selbst wenn die Klage des Wahlverlierers abgelehnt wird. In Ghana hat der Oberste Gerichtshof nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 insgesamt acht Monate über die Klage des knapp unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Nana Akufo-Addo verhandelt. Die Verhandlungen waren ein nationales Spektakel, das im Fernsehen, Radio und Internet übertragen wurde. Akufo-Addos Klage wurde letztlich abgewiesen, aber das Gericht forderte in seinem 588-seitigen Abschlussurteil weitgehende Reformen der Wahlgesetze und -institutionen. Nach den Wahlen wurde ein solcher Reformprozess in Gang gesetzt (Africa Confidential 2013a; Gyampo 2017).
Die Interventionen der Gerichte zeichnen also ein gemischtes Bild. Dies liegt auch daran, dass Gerichte bei der Verhandlung von Wahldisputen mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sind, die mit Eigenschaften des Wahlprozesses und der Rechtsprechung zusammenhängen. Eine Schwierigkeit der juristischen Bearbeitung von Wahldisputen besteht darin, dass der Hauptprozess häufig erst nach dem Wahltag stattfindet. Die Klagen, die nach dem Wahltag eingereicht werden, konzentrieren sich aber nicht unbedingt auf Ereignisse des Wahltags und der Auszählung. Eine Untersuchung von Wahldisputen in Madagaskar und Senegal hat gezeigt, dass knapp die Hälfte der beklagten Punkte vor dem Wahltag stattfanden und zum Beispiel das Wählerregister oder den Wahlkampf betrafen, aber ein Großteil davon erst nach der Wahl vor das Gericht gebracht wurde (Heyl 2018: 207). Nach der Wahl haben Gerichte aber nur noch beschränkte Möglichkeiten in den Wahlprozess einzugreifen. Wählerlisten können nach dem Wahltag nicht mehr korrigiert werden, der Wahlkampf kann nicht mehr fairer gestaltet werden und logistische Probleme bei der Ausstattung der Wahllokale können nicht mehr behoben werden. Nach der Wahl haben Gerichte nur noch die Möglichkeit, das Wahlergebnis durch Neuauszählungen oder Teilannullierungen zu korrigieren oder die gesamte Wahl für ungültig zu erklären. Im letzteren Fall muss in der Regel innerhalb weniger Wochen neu gewählt werden. Die Kosten für eine Wahlannullierung sind sehr hoch. Die Wiederholung einer Wahl innerhalb eines kurzen Zeitraumes verschlingt viele organisatorische und finanzielle Ressourcen. Zugleich ist in dieser Periode die politische Zukunft ungewiss, was die Lage weiter anheizen kann. Dies ist wahrscheinlich der Grund dafür, dass afrikanische Gerichte erst zweimal eine Wahl vollständig annulliert haben. Im Jahr 1997 erklärte das malische Verfassungsgericht die Parlamentswahlen für ungültig und zwanzig Jahre später der kenianische Oberste Gerichtshof die Präsidentschaftswahlen. Beide Wahlen mussten wiederholt werden.
Eine weitere Schwierigkeit besteht für die Gerichte in der Beweislage für Wahlmanipulationen. Zunächst ist die Tatsache, dass die Opposition den Vorwurf der Wahlmanipulation erhebt, noch lange kein Beweis desselben. Denn für Oppositionspolitiker ist es attraktiv, Wahlen als gefälscht darzustellen, weil sie damit das Ausmaß ihrer Wahlniederlage relativieren können. Selbst wenn die Wahl manipuliert wurde, kann dies schwierig zu beweisen sein, weil der Betrug häufig im Verborgenen geschieht. In Benin, Mali und Niger werden Verfassungsrichter zwar zur Wahlbeobachtung in das gesamte Land entsandt. Dies kann aber auch mit weiterer richterlicher Unterstützung zu keiner vollständigen Überwachung des Prozesses führen. Informationen der Wahlkommission können daher in Wahldisputen hilfreich sein. So hat das senegalesische Verfassungsgericht beispielsweise nach der Einführung der nationalen Wahlbeobachtungsorganisation ONEL (Observatoire national des élections) wesentlich mehr Klagen zu den Parlamentswahlen aus dem Jahr 1998 stattgegeben als zuvor und in seinem Urteil auf Informationen von ONEL verwiesen. Wahlkommissionen können allerdings keine glaubhaften Beweise liefern, wenn sie selbst im Verdacht stehen, Unregelmäßigkeiten zu verursachen, wie zuletzt in Kenia.
Die Schwierigkeit der Beweisfindung wird durch zeitliche Begrenzung weiter verschärft. Kandidaten haben laut Gesetz meist eine begrenzte Frist, um Klagen einzureichen, und in vielen Ländern müssen die Gerichte dann auch innerhalb weniger Tage entscheiden. Diese zeitlichen Befristungen sind auf der einen Seite sinnvoll, weil sie verhindern, dass ein Land lange durch einen ungeklärten Wahldisput gelähmt wird. Auf der anderen Seite ist es sowohl für die Kläger schwierig innerhalb kurzer Fristen Beweise aus dem gesamten Land zu sammeln und aufzubereiten als auch für die Gerichte, diese angemessen zu prüfen. In Ghana geriet die Oppositionspartei NPP (New Patriotic Party) im Jahr 2012 an ihre Grenzen, als sie innerhalb von zehn Tagen die ihrer Ansicht nach fehlerhaften Wahldokumente aus 11.000 Wahllokalen dem Gericht vorlegen wollte. Innerhalb des langen Verfahrens wurde letztlich sogar ein Beratungsunternehmen damit beauftrag, das Gericht bei der Überprüfung der Dokumente zu unterstützen (Africa Confidential 2013b). Gerichte können diese Schwierigkeiten umschiffen, wenn sie die Hürden für die Annullierung von Stimmen und Wahlen hoch legen. Ein Rechtsprechungsprinzip besagt, dass Unregelmäßigkeiten nur dann sanktioniert werden, wenn diese Einfluss auf das Ergebnis der Wahl haben. In einigen Verfassungen ist dieses Prinzip sogar festgeschrieben. Das simbabwische Verfassungsgericht hat dieses Prinzip in der letzten Präsidentschaftswahl angewandt. Obwohl die Wahlkommission Fehler beim Zusammenzählen der Ergebnisse eingeräumt hatte, wies das Gericht die Klage des Kandidaten Chamisa ab, da er auch ohne diese Fehler keine Mehrheit der Stimmen erlangt hätte. Hohe Hürden für Wahlannullierungen erscheinen pragmatisch und einleuchtend, wenn man die hohen politischen und finanziellen Kosten von Wahlwiederholungen bedenkt. Allerdings bleiben dadurch auch viele Wahlmanipulationen ungestraft. Das steht im Widerspruch zu Empfehlungen von Nichtregierungsorganisationen wie International IDEA (Institute for Democracy and Electoral Assistance), denen nach es wichtig ist, dass Wahlmanipulationen geahndet werden (Orozco-Henríquez 2010). Die Tolerierung von möglicherweise nicht ausschlaggebenden Wahlmanipulationen gefährdet das Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen wie Wahlen und Gerichte. Zugleich bietet es Gerichten ein Hintertürchen, um Entscheidungen, die den Machthabenden missfallen könnten, zu vermeiden.
In vielen afrikanischen Ländern genießt die Justiz keinen besonders guten Ruf. Laut Experteneinschätzungen des Variety of Democracies-Projekts sind die Urteile von Afrikas höchsten Gerichten im Durchschnitt zwar seit Beginn der 1990er-Jahre wesentlich unabhängiger geworden. Im weltweiten Vergleich schneidet ihre Unabhängigkeit jedoch schlechter ab, lediglich die Gerichte im Nahen und Mittleren Osten sind im Schnitt stärkeren Beeinflussungen unterworfen. Innerhalb des afrikanischen Kontinents ist die Bandbreite groß (Coppedge et al. 2018). Wahlen stellen jedoch eine politisch hoch aufgeladene Situation dar, in der Gerichte häufig unter Druck gesetzt werden. Ein systematischer Vergleich informeller Einflussnahmen auf die Verfassungsgerichte von Benin, Madagaskar und Senegal hat gezeigt, dass diese Gerichte insbesondere in Wahljahren Opfer von Attacken werden. Das beninische Verfassungsgericht gilt als eines der stärksten und unabhängigsten in Afrika. Im Wahljahr 1996 wurde jedoch ein Anschlag auf das Haus eines Verfassungsrichters verübt. Im Senegal wurde im Jahr 1993 kurz nach der Parlamentswahl der Vizepräsident des Verfassungsgerichts erschossen. Vor der Präsidentschaftswahl im Jahr 2012, als die Verfassungsrichter über Abdoulaye Wades dritte Kandidatur entscheiden mussten, soll es zu Bestechungsversuchen gekommen sein (Llanos et al. 2016: 1244-1245). Gleichzeitig erhielt das Gericht Drohbriefe der Opposition. Auch madagassische Verfassungsrichter sollen bei den Präsidentschaftswahlen 1996, als das Rennen zwischen den stärksten Kandidaten eng war, bestochen worden sein. Als im Jahr 1997 die Parlamentswahlen verschoben wurden, wurde von der Opposition ein Bombenanschlag auf das Haus des Verfassungsgerichtspräsidenten verübt und ehemalige Verfassungsrichter berichteten, dass sie während der Wahlkrise im Jahr 2002 mehrfach physisch bedroht worden wären (Heyl 2018: 93). Diese Beispiele verdeutlichen, dass einige afrikanische Richter um ihre physische Unversehrtheit bangen müssen, wenn sie über Wahlen richten. Dies erschwert es, dass sie als unabhängige Schiedsrichter agieren können.
Regierende können bereits versuchen Gerichte zu beeinflussen, bevor diese Entscheidungen treffen. Dies kann durch die Ernennung von Richtern geschehen. Afrikanische Verfassungen statten ihre Staatsoberhäupter mit unterschiedlich viel Macht bei der Auswahl der höchsten Richter aus. Während der Präsident Senegals bis zur Verfassungsreform des Jahres 2016 alle fünf Verfassungsrichter selbst ernennen konnte, kann der Präsident Nigers nur einen Verfassungsrichter von sieben ernennen. Es hängt aber nicht allein von den Verfassungsregeln ab, wie viel Macht ein Präsident über die Ernennung von Richtern hat, sondern auch davon, wie stark er andere Institutionen wie das Parlament oder Richterkommissionen unter seiner Kontrolle hat und wie stringent die Regeln implementiert werden (Fombad 2014: 257, 260). Für Letzteres bietet die madagassische Präsidentschaftswahl des Jahres 2001 ein Beispiel. In Madagaskar wurden nach der Unterzeichnung eines Transitionsabkommens 1991 elf Verfassungsrichter für eine Übergangsperiode ernannt. Diese Richter blieben allerdings auch, nachdem im Jahr 1992 eine neue Verfassung in Kraft trat weiter im Amt. Erst im Jahr 2001, drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl, initiierte der damalige Präsident Didier Ratsiraka die Neubesetzung des Verfassungsgerichts. Die Unabhängigkeit dieser Richter war stark umstritten, und während der Wahlkrise erfolgte die Absetzung der Richter durch ein scheinlegales Manöver (Llanos et al. 2017: 13, 15).
Solche Ernennungspraktiken können dazu führen, dass Gerichte während Wahlen nicht als unabhängig wahrgenommen werden. Tatsächlich stellten zwei Klagen nach diesjährigen Präsidentschaftswahlen explizit die Unabhängigkeit des jeweiligen Gerichts infrage. In Mali forderte Oppositionsführer Cissé die Absetzung der Verfassungsrichter. Zur Begründung führte er unter anderem an, dass ein Verfassungsrichter Gründungsmitglied der Partei des Staatspräsidenten und lange ein enger Mitarbeiter desselben gewesen sei. In Kamerun beklagte der stärkste Oppositionskandidat Kamto ebenfalls die Parteilichkeit des Gerichts. Er bemängelte, dass die Präsidentin des Verfassungsgerichts mit einem Abgeordneten der langjährigen Regierungspartei verheiratet sei (Foute 2018b).
Die Rolle von Gerichten bei Wahlen ist ambivalent. Sie haben das Potenzial durch unabhängige Rechtsprechung zu freien und fairen Wahlen beizutragen und dadurch die Demokratie zu fördern. Sie können aber auch genau das Gegenteil bewirken, indem sie Wahlbetrug decken und damit autoritären Herrschern helfen im Amt zu bleiben. Ähnlich wie Wahlen können Gerichte also sowohl zu mehr als auch zu weniger Demokratie beitragen. Dabei bestehen jeweils sich selbst verstärkende Prozesse, die in positiver und negativer Weise wirken können. In Demokratien sind Gerichte unabhängig und Wahlen sind frei und fair. In dieser Konstellation ist es für Gerichte einfacher verbleibende Schwierigkeiten im Wahlprozess unparteiisch zu verhandeln und sie können damit zu einer weiteren Stärkung von Wahlen und Demokratie beitragen. In Autokratien werden Gerichte häufiger von Machthabern durch verschiedene Kanäle beeinflusst und auch Wahlen werden frühzeitig manipuliert. In solchen Wahlen stehen Gerichte erheblich unter Druck, wenn sie nicht ohnehin schon durch die Ernennungspraxis auf Linie gebracht wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dann durch ihre Rechtsprechung zu freien und fairen Wahlen beitragen, ist gering. Wahlbetrug wird folglich nicht geahndet und autoritäre Regime werden gestärkt.
Wie können externe Akteure dazu beitragen, dass Gerichte freie und faire Wahlen fördern? Dies kann durch Maßnahmen geschehen, die direkt auf den Wahlprozess zielen. Programme, die den Wahlprozess unterstützen, sollten auch explizite Bausteine zur Wahlrechtsprechung enthalten. Darin sollten Richter, Kandidaten, Anwälte, Mitglieder von Wahlkommissionen und Wahlhelfer für die Vorbereitung und Prüfung von Wahlklagen geschult werden. Programme zur Wählersensibilisierung sollten auch Informationen zu Wahldisputen enthalten, da die Bürger wichtige Beiträge zur Beweisführung leisten können. Unabhängige und funktionierende Wahlkommissionen können ebenfalls die Verhandlung von Wahldisputen erleichtern.
Die Maßnahmen sollten sich jedoch nicht nur auf den Wahlprozess fokussieren, sondern auch den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit breiter in den Blick nehmen und dort bereits bei den unteren Instanzen der Gerichtsbarkeit ansetzen. Bürger können ein stärkeres Vertrauen in die Justiz entwickeln, wenn sie bei ihren eigenen rechtlichen Problemen erleben, dass die Gerichte die Kapazitäten haben diese tatsächlich zu bearbeiten und dies zusätzlich in einer unabhängigen Weise tun. Das Vertrauen der Bürger kann dann als Schutzschild für die Justiz wirken, denn Machthaber können Attacken gegen die Justiz schlechter rechtfertigen, wenn diese von der Bevölkerung unterstützt wird. Je mehr Richter sich daran gewöhnen, ungestraft unabhängige Urteile zu fällen, desto geringer wird die Auswahl an gefügigen Richtern und die Wahrscheinlichkeit wächst, dass unabhängige Richter auch in die höheren Gerichte berufen werden, in denen sie politischere sensiblere Fälle verhandeln. Realistisch betrachtet sind bei solchen Programmen allerdings keine schnellen Erfolge zu erwarten. Es werden Fortschritte an vielen Stellen im politischen Prozess benötigt, damit ein sich selbst verstärkender Prozess in Richtung Demokratie Fahrt aufnehmen kann.
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