GIGA Focus Global
Nummer 7 | 2008 | ISSN: 1862-3581
Ein unerwartetes Phänomen zeigte sich auf der Klimakonferenz in Bali im Dezember 2007: Am Bali Global Business Day forderten 350 Unternehmensvertreter von der internationalen Staatengemeinschaft die Fortsetzung des Kyoto-Protokolls und des dazugehörigen Clean Development Mechanism (CDM). Verkehrte Welt?
Durch das Kyoto-Protokoll wurden – erstmals in der Geschichte internationaler Umweltverträge – Unternehmen zu Hauptakteuren der Vertragsumsetzung gemacht. Die staatlichen Reduzierungsziele für Treibhausgase haben einen Markt für ein neues Produkt geschaffen. Unternehmen sollen nun kostengünstig das öffentliche Gut "stabiles Klima" bereitstellen und zur nachhaltigen Entwicklung in den Gastländern beitragen.
Analyse
Mit der zentralen Einbindung von Wirtschaftsakteuren in die Umsetzung eines internationalen Vertrages wurde eine neue Form von Governance eingeführt, deren Effektivität jedoch noch in Frage steht.
Neue Formen der Steuerung in der Umweltpolitik durch Wirtschaftsakteure und Marktkräfte können in OECD-Ländern Erfolge nachweisen. Zu diskutieren bleibt, ob die Übertragung dieser neuen Formen auf Nicht-OECD-Länder eine Verbesserung der lokalen Umweltsituation ermöglicht, die staatliche Akteure bisher nicht leisten konnten – oder wollten.
Für die Ingangsetzung des globalen CO2-Marktes ist das Zusammenspiel staatlicher und nichtstaatlicher Akteure in partnerschaftlichen Arrangements gefragt. Diese Partnerschaften haben eine katalytische Funktion für die Marktetablierung, verlieren aber im Laufe einer erfolgreichen Marktentwicklung an Bedeutung und geben ihre Steuerungsfunktion an private Wirtschaftsakteure ab.
Marktkräfte sorgen dafür, dass Treibhausgase besonders kostengünstig reduziert werden. Der Handel mit den Reduzierungszertifikaten ermöglicht Unternehmen auch den Einstieg in neue Märkte, die Verbesserung ihres Firmenimage und vielleicht neue Wettbewerbsfähigkeit. Selbst wenn der globale CO2-Markt ständig an Volumen und Transaktionen gewinnt, so bleibt doch fraglich, ob durch diese Mechanismen allein auch das politische Ziel eines stabilen Weltklimas erreicht wird. Der "Schatten der Hierarchie" – d. h. die Übernahme von (Steuerungs-)Verantwortung seitens nationalstaatlicher Akteure weltweit – bleibt also nach wie vor wichtig.
Fuhr, Harald, Markus Lederer, und Miriam Schröder (2008), Neue Formen des Regierens und Klimaschutz durch private Unternehmen?, GIGA Focus Global, 7, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-274781
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