GIGA Focus Global
Nummer 5 | 2009 | ISSN: 1862-3581
In einem Artikel in der Washington Post schrieb UN-Generalsekretär Ban Ki-moon kürzlich, Darfur sei "auch eine Umweltkrise – ein Konflikt, der zumindest teilweise aus Desertifikation, ökologischer Degradation und Mangel an Ressourcen […] erwuchs". Die These, Desertifikation verursache gewaltsame Konflikte, verbreitet sich zunehmend.
Analyse Bei einem Degradationsgrad der Trockengebiete der Erde von 10-20 % und 250 Millionen betroffenen Menschen ist Desertifikation zweifellos eines der größten gegenwärtigen Umweltprobleme. Mit ihr geht vor allem für die Landwirtschaft ein erheblicher Ertragsverlust einher. Hieraus zu schlussfolgern, menschengemachte Wüstenbildung verursache weltweit gewaltsame Konflikte, erscheint zunächst plausibel. Eine genauere Analyse widerlegt diese These jedoch.
Selbst die meisten Wissenschaftler, die von einem Zusammenhang zwischen negativen Umweltveränderungen und gewaltsamen Konflikten ausgehen, betrachten gesellschaftliche Faktoren als notwendige Zwischenstufe. Desertifikation führt nicht direkt zu Gewalt. Erst politische, soziale und wirtschaftliche Bedingungen entscheiden, ob Konflikte gewaltsam oder friedlich ausgetragen werden.
Empirisch ist die These desertifikationsbedingter Kriege nicht haltbar. Für die relevanten Fälle in Afrika, Asien und Lateinamerika bilden gänzlich andere Faktoren den Anlass für Kriegshandlungen. Negativen Umweltveränderungen misst die empirische Kriegsursachenforschung keine kausale Bedeutung zu.
Statt für ganze Subkontinente Schreckensszenarien zukünftiger Kriege und Flüchtlingsströme zu entwerfen, ist es nichtsdestoweniger sinnvoll, die Auswirkungen von Umweltveränderungen in ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang zu betrachten. Für Konfliktprognosen sind die Verwundbarkeit und die Reaktionsfähigkeit von Gesellschaften auf Umweltveränderungen, nicht letztere selbst, entscheidend.
Scholvin, Sören (2009), Desertifikation als Sicherheitsrisiko?, GIGA Focus Global, 5, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-276634
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