GIGA Focus Afrika

Gute Jobs durch Ausbildung: Anspruch und Realitäten der EZ in Afrika

Nummer 4 | 2024 | ISSN: 1862-3603


  • Tailoring workshop in Lome, Togo, West Africa, Africa

    Gerade junge Menschen in Subsahara-Afrika sind oft unzureichend ausgebildet, unterbeschäftigt, und arbeiten in niedrig entlohnten Jobs mit schlechten Arbeitsbedingungen. Ein zentrales Instrument aktiver Arbeitsmarktpolitik und der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ist eine verbesserte und auf Unternehmensbedarfe abgestimmte Ausbildung, um Menschen in „guten Jobs“ unterzubringen.

    • Aus vorherigen Studien weiß man: die Effektivität von Ausbildungsprogrammen variiert stark, und viele Programme zeigen kaum Wirkungen. Was besser funktioniert, sind intensive und hochwertige Programme, die theoretische und praktische Komponenten verbinden. Außerdem ist eine zielgenaue Anpassung an lokale Märkte ein wichtiger Erfolgsfaktor.

    • Zu Aus- und Weiterbildungsprogrammen in Subsahara-Afrika liegen bisher wenige Studien vor. Zur Stärkung der Evidenzbasis haben wir daher drei Programme der deutschen EZ in Westafrika evaluiert. Die Effekte sind im Durchschnitt moderat und variieren teils deutlich: räumlich, zwischen Trainingsangeboten und nach Anbieter.

    • Diese und vorherige Evidenz zur moderaten Effektivität von Ausbildungsprogrammen steht im Kontrast zum oft hohen Anspruch an die Wirkungen solcher Maßnahmen. Wir zeigen hier, dass von der EZ geförderte Ausbildungsprogramme trotzdem wichtige Impulse setzen können, um die Schaffung guter Arbeitsplätze für junge Menschen in Afrika zu unterstützen.

    Fazit

    Angesichts möglicher Budgetkürzungen in der deutschen EZ sollten Mittel da eingesetzt werden, wo sie die größten Effekte entfalten: in innovativen Maßnahmen, die evidenzbasiert für den jeweiligen Kontext entwickelt wurden, und langfristig strukturell wirken. Zugleich darf die Bedeutung von Ausbildungsprogrammen – insbesondere kurzfristiger Programme ohne Praxisbezug – für die Überwindung der Unterbeschäftigung in Afrika nicht überschätzt werden.


    Ausbildungsprogramme für mehr und bessere Jobs

    Auf vielen afrikanischen Arbeitsmärkten herrscht ein Ungleichgewicht. Einerseits suchen viele junge Menschen Arbeit – jedes Jahr strömen in Subsahara-Afrika etwa 25 Millionen junge Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt. Nur ein Bruchteil hat die Chance auf „gute“, formale Jobs, etwa in großen, oft internationalen Unternehmen oder im öffentlichen Sektor. In der Folge sind viele junge Menschen unterbeschäftigt und kommen in informellen Arbeitsverhältnissen mit schlechten Arbeitsbedingungen unter: meist ohne den Schutz eines schriftlichen Arbeitsvertrags, ohne Kranken- und Sozialversicherung sowie ohne eine den Lebensunterhalt sichernde Bezahlung.

    Andererseits suchen nicht nur große, sondern auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) oft händeringend Arbeitskräfte mit den passenden Qualifikationen und Kompetenzen. Ausbildungssysteme sind oft defizitär. Sie vermitteln nicht die relevanten Kompetenzen und die vorliegenden Abschlüsse sind nicht aussagekräftig. Gerade im Ausbildungssystem im informellen Sektor, etwa in großen Teilen des Handwerks, fehlt es an strukturierter Ausbildung und formalen Qualifikationen. In Unternehmen bedingen sich geringe Arbeitsproduktivität und schlechte Arbeitsbedingungen sowie geringe Entlohnung dann oft gegenseitig.

    In Anbetracht dieser Problematik versuchen afrikanische Regierungen und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), Arbeitskräften durch Aus- und Weiterbildungsprogramme gezielt arbeitsmarktrelevante Fähigkeiten zu vermitteln. Die Intention solcher Angebote ist, die Beschäftigungsfähigkeit der Begünstigten zu verbessern und ihre Chancen auf einen guten Arbeitsplatz – im Sinne einer produktiven, gut bezahlten und formalisierten Beschäftigung – zu erhöhen. Einen verwandten Programmtyp nennen wir hier „Business Trainings“. Damit sind Trainings-, Consulting- oder Coachingangebote für Unternehmen gemeint, die auf eine Firmengründung oder Verbesserungen des Managements und eine Erhöhung der Produktivität in existierenden Unternehmen abzielen. Die zugrunde liegende Idee ist, dass produktivere Unternehmen bessere Arbeitsplätze anbieten können.

    Internationale Geber fördern eine Vielzahl von Ausbildungsprogrammen, die der beschriebenen Logik folgen. Allein die Weltbank finanziert aktuell gemeinsam mit afrikanischen Partnerregierungen Projekte mit dem Schwerpunkt berufliche Bildung, mit einem Gesamtvolumen von über 1,9 Mrd. USD in neun Ländern. Auch die deutsche EZ ist im Bereich Beschäftigungsförderung und Ausbildung traditionell sehr aktiv, beispielsweise im Rahmen der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit Ausbildungsangeboten in enger Verzahnung mit dem Privatsektor. Erklärtes Ziel der Sonderinitiative ist die Schaffung von 100.000 Jobs in ihren acht afrikanischen Partnerländern durch eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze zur Beschäftigungsförderung, darunter auch eine Reihe von Ausbildungsprogrammen. In diesem GIGA Focus beschäftigen wir uns mit der Effektivität solcher Ausbildungsprogramme zur Förderung von Ausbildung und Beschäftigung. Wir fassen dazu zunächst wesentliche Erkenntnisse der umfangreichen Literatur zusammen. Anschließend stellen wir kurz die Effekte von drei Programmen der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ vor, die wir im Rahmen unserer Begleitforschung rigoros, d.h. mittels randomisierter Kontrollstudien, evaluiert haben. Nach einer Diskussion der Gründe für die geringe bis moderate Wirksamkeit vieler Ausbildungsprogramme, formulieren wir Empfehlungen für eine wirkungsvollere EZ in diesem Bereich.

    Die Evidenz zeigt: Nicht alle Programme verbessern Arbeitsmarktchancen und schaffen (bessere) Jobs

    Die Effektivität von Ausbildungsprogrammen in Entwicklungs- und Schwellenländern variiert stark – dies ist der übereinstimmende Befund jüngerer Zusammenfassungen und Meta-Analysen der umfangreichen, rigorosen Evidenz (Beber et al. 2020; Bertrand et al. 2023; Kluve et al. 2019; Stöterau, Kemper und Ghisletta 2022). Als „rigoros“ verstehen wir, wie in weiten Teilen der Literatur üblich, quantitative (experimentelle und quasi-experimentelle) Evaluierungsansätze, die mithilfe einer vergleichbaren Kontrollgruppe die Wirkungen einer Maßnahme kausal nachweisen oder „attribuieren“.

    Während ein Großteil der untersuchten Programme Teilnehmenden neue Fähigkeiten vermittelte und die Zertifizierung dieser Fähigkeiten ermöglichte, konnte nur für einen kleineren Teil der Ausbildungsangebote auch positive Effekte auf Einkommen und Beschäftigung nachgewiesen werden (je nach Quelle war dies für etwa ein Drittel bzw. die Hälfte der betrachteten Programme der Fall). Die Effekte auf Einkommen und Beschäftigung sind darüber hinaus gering: im Durchschnitt der untersuchten Programme erhöht sich die Beschäftigungswahrscheinlichkeit um etwa 2-6 Prozentpunkte (Carranza und McKenzie 2024) (von 100 Begünstigten finden dank ihrer Programmteilnahme also zusätzlich 2-6 Personen Arbeit). Das Einkommen steigt um 2-14 Prozent, oft auf sehr geringem Niveau.

    Natürlich spielt die zeitliche Dimension eine Rolle, wenn die möglichen Wirkungen analysiert werden. Das ändert allerdings nichts am Befund von bestenfalls moderaten Wirkungen. Einerseits sind wenige Monate nach dem Programm oft noch keine Verbesserungen in Beschäftigungswahrscheinlichkeit und Einkommen zu beobachten. Dies ist durchaus plausibel, weil es Zeit brauchen kann, eine angemessene Arbeitsstelle zu finden, und erklärt, warum sich in einigen Programmen positive Effekte erst im Laufe der Zeit einstellen. Andererseits kommt auch der umgekehrte Fall vor, in dem in der kurzen Frist beobachtete, positive Effekte, mittelfristig keinen Bestand haben.

    Im Fall von Business Trainings bietet sich ein ähnlich differenziertes Bild. Programme, die explizit auf Existenzgründung abzielen, führen in der Regel auch dazu, dass sich (mehr) Begünstigte selbstständig machen. Programme, die sich an bestehende Unternehmen richten und auf eine Verbesserung von deren Produktivität abzielen, haben allerdings sehr durchwachsene Effekte. Während auch hier viele Programme keine messbare Wirkung zeigen, erhöhen sich im Durchschnitt der Umsatz um etwa 5 Prozent und Profite um etwa 10 Prozent (McKenzie 2020). Zahlreiche Programme und Evaluationen betrachten Unternehmenserfolg und Produktivität als wichtigste Zielvariablen, und untersuchen nicht oder nur mittelbar Beschäftigungseffekte. Die Evidenz deutet aber darauf hin, dass nur wenige dieser Programme tatsächlich neue Jobs schaffen. Gerade in Mikrounternehmen mit wenigen Mitarbeitenden wären in der Regel prozentual deutlich größere Sprünge im Umsatz notwendig, um einen weiteren Arbeitsplatz zu finanzieren.

    Warum fallen Effekte so unterschiedlich aus? Vergleichende Studien bestätigen das Erfolgsgeheimnis der dualen Ausbildung: Die untersuchten Programme sind eher dann wirkungsvoll, wenn sie theoretische und praktische Komponenten kombinieren, und wenn Lerninhalte an die Bedarfe des lokalen Privatsektors angepasst werden, z.B. insbesondere in sektorspezifischen Programmen. Allgemein zeigt sich, dass oft bessere Ergebnisse erzielt werden, wenn klassische Ausbildungskomponenten durch Angebote ergänzt werden, die spezifische Barrieren der jeweiligen Zielgruppen adressieren. Solche komplementären Angebote sind etwa spezielle Unterstützungsangebote für Frauen, die Vermittlung bestimmter Soft Skills, oder Beratungsangebote und die Vermittlung von Arbeitsplätzen. Die Literatur zu Trainingsprogrammen für Unternehmen zieht ähnliche Schlussfolgerungen: Auch hier sind Mehrkomponentenprogramme oft erfolgreicher als ihre Einzelkomponenten, wobei Training oft mit Finanzdienstleistungen kombiniert wird.

    Rigorose Wirkungsmessung in der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“

    Trotz umfangreicher Literatur zur Effektivität von Ausbildungsprogrammen und Business Trainings bestehen weiterhin wichtige Wissenslücken. So sind die Effekte auf Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsqualität (Entlohnung, formale Arbeitsverträge, Sozialversicherung) nicht abschließend untersucht. Außerdem liegen vergleichsweise wenige Studien aus Afrika vor. Hier liefern drei rigorose Evaluierungen neue Evidenz, die wir im Rahmen der Begleitforschung der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ durchgeführt haben.

    Es handelt sich bei unseren Evaluierungen um sogenannte randomisierte Kontrollstudien, die kausale Effekte von Ausbildungsprogrammen methodisch robust identifizieren. Ein Schlüsselmerkmal dieses Forschungsansatzes ist die zufällige Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eines Programms aus einer Gruppe von Interessierten. Durch dieses Verfahren sind beide Gruppen vergleichbar, d.h. sie haben im Durchschnitt dieselben Charakteristika wie Alter, Bildungsgrad, Arbeitserfahrung, etc. Für unsere Evaluierungen wurden nach der Programmausschreibung im Rahmen der Registrierung Baseline-Daten von allen am Programm Interessierten erhoben. Die Befragten wurden daraufhin zufällig in eine Behandlungs- und eine Kontrollgruppe aufgeteilt, und nur die Behandlungsgruppe wurde von den durchführenden Institutionen zur Teilnahme am Programm eingeladen. Etwa sechs sowie 18 Monate nach dem Abschluss des Programms wurden beide Gruppen nochmals befragt, um die Veränderungen des Beschäftigungsstatusʼ, Einkommens, der Löhne, Arbeitszeiten, Arbeitsbedingungen und Arbeitszufriedenheit messen zu können. Der Vergleich dieser Indikatoren zwischen Behandlungs- und Kontrollgruppe über die Zeit lässt dann Rückschlüsse auf die kausalen Wirkungen des Programms zu. Steigen z.B. die Löhne in der Kontrollgruppe um umgerechnet 5 USD und in der Behandlungsgruppe um 10 USD, können wir die Hälfte des Anstiegs für die Behandlungsgruppe eindeutig auf die Programmteilnahme zurückführen.


    Abbildung 1. Durchführungsorte der randomisierten Kontrollstudien

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    Visualisierung: Eduardo Valencia.

    Zwei der untersuchten Programme wurden in Ghana umgesetzt und legen den Schwerpunkt auf Ausbildungsangebote im Handwerk. Das „ProfArts“-Programm ist ein 3-monatiges Weiterbildungsangebot für Fachkräfte im Bausektor und zielt auf die Zertifizierung und Professionalisierung oft informell ausgebildeter Handwerkerinnen und Handwerker in der Baubranche ab. Das „N4G“-Programm bietet jungen Frauen ohne Vorkenntnisse eine Ausbildung in der Modebranche an. Zum einen in oft größeren Unternehmen in der Bekleidungsbranche (mit 6 Monaten Ausbildung) und zum anderen im eher von informellen Kleinstunternehmen geprägten Friseur- und Kosmetikhandwerk (mit nur 2 Monaten Ausbildung). Beide Ausbildungsangebote wurden in enger Kooperation mit dem Privatsektor konzipiert und folgen mit ihrer Praxisorientierung „Best Practices“. Das dritte von uns rigoros evaluierte Programm, „PAP-PME“, ist ein Consulting-Angebot für Mikrounternehmen und KMU, das in Côte d’Ivoire umgesetzt wurde. Teilnehmende Unternehmen aus dem ganzen Land erhielten im Durchschnitt zwei Besuche von Consultants und wurden individuell zu Finanz- und Personalmanagement beraten.

    Ergebnisse aus drei rigorosen Evaluationen

    Wir zeigen in Abbildung 2 zunächst die Effekte der drei Programme auf ausgewählte Variablen im Durchschnitt der jeweiligen Zielgruppen (interaktiv in der Online-Version). Große positive Effekte sind eher die Ausnahme und die Ergebnisse programmübergreifend ernüchternd: Die Ausbildungsangebote zeigen im Durchschnitt der gesamten Zielgruppen nach sechs bzw. 18 Monaten keine signifikanten Einkommenseffekte, und ein positiver Einfluss auf den Anteil der Menschen in Arbeit lässt sich statistisch gesichert nicht feststellen. Die Programme schaffen also in diesem rein quantitativen Sinne und im Durchschnitt über viele Begünstigte hinweg kein statistisch belastbares Maß an zusätzlicher Beschäftigung – obwohl sie punktuell durchaus erfolgreich waren, wie wir unten zeigen. Positive Programmeffekte finden wir auf die Qualität der Arbeit: so sorgen zwei der drei Programme für signifikant mehr schriftliche Arbeitsverträge. In an PAP-PME teilnehmenden Unternehmen in Côte d’Ivoire liegt darüber hinaus der Anteil der Beschäftigten, die den Mindestlohn oder mehr verdienen, um rund 10 Prozentpunkte höher als in der Kontrollgruppe.


    Abbildung 2. Programmeffekte auf ausgewählte Indikatoren im Gesamtdurchschnitt

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    Visualisierung: Eduardo Valencia.
    Anmerkungen: Die Grafiken zeigen für jedes der drei Programme die Vorher-Nachher-Durchschnittswerte eines ausgewählten Indikators für Behandlungsgruppen (gelb) und Kontrollgruppen (blau), unter Angabe vertikal eingezeichneter Konfidenzintervalle.

    Hinter diesen moderaten Durchschnittseffekten verbergen sich beträchtliche Unterschiede zwischen den Programmen, aber auch innerhalb der Programme zwischen Sektoren, Anbietern, Begünstigten und Lokalitäten (s. Abbildung 3). Punktuell haben die Programme positiv und teils wie geplant gewirkt. Betrachtet man etwa im Fall des N4G-Programms in Ghana nur den Bekleidungssektor (Dressmaking), zeigt sich, dass das Programm wie gewünscht die Wahl der Beschäftigung beeinflusst hat und die jungen Frauen im Anschluss deutlich öfter eine bezahlte Beschäftigung in ebendiesem Sektor ausüben. Der positive Effekt auf die Art der Beschäftigung geht einher mit einem etwa 5,50 EUR höheren Monatseinkommen (knapp 40 Prozent mehr als in der Vergleichsgruppe). Auch für das ProfArts-Programm, das auf eine bessere Ausbildung von Handwerkern abzielt, sind in Tamale, im relativ armen Norden Ghanas, positive Einkommens- und Beschäftigungseffekte festzustellen. Durch das Programm konnten Handwerker hier neue Mitarbeiter einstellen (im Durchschnitt 0,6 Personen, insgesamt etwa 140 Personen) und verdienen 20-25 EUR mehr pro Monat. Und im Fall von PAP-PME, dem Consulting-Angebot für Unternehmen in Côte d’Ivoire, verbessern Unternehmen außerhalb der Wirtschaftsmetropole Abidjan ihre Buchhaltung.


    Abbildung 3. Programmeffekte auf ausgewählte Indikatoren für ausgewählte Stichproben

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    Visualisierung: Eduardo Valencia.
    Anmerkungen: Die Grafiken zeigen für jedes der drei Programme die Vorher-Nachher-Durchschnittswerte eines ausgewählten Indikators für Behandlungsgruppen (gelb) und Kontrollgruppen (blau) in ausgewählten Stichproben, unter Angabe vertikal eingezeichneter Konfidenzintervalle.

    Warum Ausbildungsprogramme kaum Jobs schaffen

    Die oft moderaten, teils starken, teils aber auch ausbleibenden Effekte der von uns evaluierten Programme, sind weitgehend im Einklang mit den oben diskutierten früheren Studien. Warum also variieren die Wirkungen von Ausbildungsprogrammen so stark, und warum verfehlen Programme so oft ihre ehrgeizigen Ziele, eine Vielzahl von Arbeitsplätzen zu schaffen?

    Zum einen lässt sich ganz grundsätzlich festhalten, dass neue Arbeitsplätze nicht durch Ausbildungsprogramme entstehen, sondern wenn Firmen neue Stellen schaffen oder günstige Bedingungen für eine Selbstständigkeit herrschen. Positive Beschäftigungseffekte von Ausbildungsprogrammen sind also nur dort zu erwarten, wo eine Knappheit an Arbeitskräften mit den vermittelten Fähigkeiten herrscht – diese Knappheit kann zwischen Sektoren oder den Regionen eines Landes variieren. Im Fall von N4G war die Arbeitsnachfrage etwa im Bekleidungssektor durch Übernahmeangebote der großen, ausbildenden Firmen gesichert, aber im Kosmetiksektor weniger stark.

    Zum anderen können positive Beschäftigungseffekte – bei Vorliegen eines „Fachkräftemangels“ – nur dann eintreten, wenn ein Programm Fähigkeiten erfolgreich vermittelt, und wenn diese Fähigkeiten relevant für den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt sind. Viele Programme scheitern bereits an der Vermittlung solch relevanter Fähigkeiten, etwa weil die Ausbildungsinstitutionen nicht in der Lage sind, hochwertige Kurse anzubieten, weil die Programmdauer zu kurz ist, oder weil die Teilnehmenden nicht die nötige Grundbildung mitbringen. Auch wird an Berufsschulen teils noch mit veralteten Curricula unterrichtet, wobei das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Orientierung an den Bedarfen des Privatsektors inzwischen wächst.

    Wie die EZ es besser machen könnte

    Wenn Ausbildungsprogramme ihre Ziele so oft nicht erreichen und kaum Jobs schaffen, sollte die EZ solche Programme dann weiterhin fördern? Unsere Antwort: ja, aber ehrlicher, evidenzbasierter und strategischer.

    Mit Ehrlichkeit meinen wir eine realistische Einschätzung des wirtschaftlichen Kontexts in Partnerländern und, vor allem, der möglichen Wirkkraft von durch die EZ geförderten Ausbildungsprogrammen. Aus unserer Sicht wäre mehr Bescheidenheit in Bezug auf den möglichen Beitrag solcher Programme zur Lösung des „Beschäftigungsproblems“ auf dem afrikanischen Kontinent angebracht. Rein numerisch ist der deutsche Beitrag marginal: Laut Weltbank strebten in den vergangenen vier Jahren in den acht Zielländern der Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ (Ägypten, Äthiopien, Côte d’Ivoire, Ghana, Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien) netto über 15 Mio. Menschen zusätzlich auf den Arbeitsmarkt. Selbst sehr ambitionierte Zielvorgaben von beschäftigungsfördernden EZ-Programmen, wie die der Sonderinitiative, können mit dem hierfür erforderlichen enormen Beschäftigungswachstum nicht schritthalten. Obwohl dies nicht neu ist, findet sich im politischen und öffentlichen Diskurs zur EZ immer wieder ein überhöhter Anspruch in Bezug auf deren Wirksamkeit. So schreibt das BMZ in seiner Anfang des Jahres 2024 veröffentlichten neuen Afrika-Strategie, eine Initiative der Vereinten Nationen zu unterstützen, die zum Ziel hat, bis zum Jahr 2030 „400 Millionen neue menschenwürdige Arbeitsplätze zu schaffen“. Und in der Presseberichterstattung ist über die „Pläne von Ministerin Schulze: Millionen Jobs für Afrika“ zu lesen. Plakative Schlagzeilen wie diese zeichnen ein undifferenziertes Bild der tatsächlich oft nuancierten Arbeit des BMZ, aber sie sind symptomatisch für Aspekte der politischen Kommunikation, die überhöhte Erwartungen befeuern, auch in Bezug auf EZ-finanzierte Ausbildungsprogramme. Unrealistische Ansprüche sind dabei nicht nur in der breiten Öffentlichkeit festzustellen. Studien haben wiederholt beobachtet, wie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von EZ-Organisationen die Wirksamkeit von Ausbildungsprogrammen überschätzen (Groh et al. 2016; Hirshleifer et al. 2016).

    Um EZ-Programme sinnvoll zu entwickeln und umzusetzen – und auch, um die richtigen Prioritäten zu setzen – ist ein realistisches, sprich evidenzbasiertes Verständnis ihrer Wirkungen zentral. EZ-finanzierte Ausbildungsprogramme werden die afrikanische „Beschäftigungskrise“ nicht lösen, aber sie können Teilnehmenden wichtige Fähigkeiten vermitteln und so dazu beitragen, dass sich deren Berufschancen verbessern und Unternehmen qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Unter dieser Prämisse sollten nur Maßnahmen gefördert werden, die unter Berücksichtigung der vorliegenden Evidenz mit hoher Wahrscheinlichkeit einen echten wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Mehrwert schaffen: etwa, weil sie benachteiligten Gruppen einen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen, oder weil sie Begünstigten eine gute Beschäftigung in einem Schlüsselsektor mit einem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ermöglichen. Um ihre Ziele zu erreichen, müssen Programme sorgfältig für den jeweiligen Kontext entwickelt und stringent umgesetzt werden. In der Praxis wird die vorliegende Evidenz zur Wirksamkeit verschiedener Programmtypen leider noch zu oft nicht beachtet. Die Folge: Teils werden Maßnahmen gefördert und umgesetzt, deren geringe Wirksamkeit bereits erwiesen ist, beispielsweise Trainings von wenigen Tagen.

    Zu einem strategischen Einsatz der deutschen EZ-Mittel gehört auch, die Rolle und Aufgaben der EZ gegenüber den Regierungen der Partnerländer kritisch zu hinterfragen. Schlüsselelement für eine erhöhte Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen ist eine hochwertige und an die Anforderungen des Arbeitsmarktes angepasste Bildung; diese von der Grund- bis zur Berufsschule oder Universität bereitzustellen, ist Kernaufgabe afrikanischer Regierungen. Darüber hinaus sind primär afrikanische Regierungen dafür verantwortlich, die Bedingungen für private Investitionen so auszugestalten, dass Arbeitsplätze geschaffen werden können. Die (deutsche) EZ kann afrikanische Regierungen bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben begleiten, aber sie kann sie ihnen nicht abnehmen, auch nicht in beachtenswerten Teilen.

    Im Rahmen dieser Begleitung oder Partnerschaft kann die EZ wichtige Impulse und Lernpotenziale für wirtschaftliche und menschliche Entwicklung liefern, hier speziell für eine beschäftigungsorientierte Ausbildung. Der Projektcharakter großer Teile der EZ bietet in diesem Zusammenhang eine Chance: Evidenzbasierte, innovative Lösungen können so im kleinen Rahmen getestet, evaluiert und weiterentwickelt werden, um anschließend gegebenenfalls durch die Partnerländer selbst weitergeführt, skaliert und in strukturelle Veränderungen übersetzt zu werden.

    Zu guter Letzt noch einmal der wichtige Hinweis: Die deutsche EZ setzt bereits sinnvoll ausgestaltete und wirkungsvolle Programme um, auch im Ausbildungsbereich. Und ein Umdenken, hin zu mehr evidenzbasierten Entscheidungen, ist im Gange, etwa durch die Arbeit des Evaluierungsinstituts DEval, durch mehr Kapazitäten in den Durchführungsorganisationen im Bereich Monitoring und Evaluierung (M&E), und nicht zuletzt durch Forschungsvorhaben wie unseres. Angesichts der Ankündigungen sukzessive schrumpfender EZ-Budgets, drohen diese Bemühungen jedoch ins Stocken zu geraten, obwohl sie gerade jetzt besonders wichtig wären. Unser Appell daher: Die möglichen EZ-Kürzungen sollten als Chance gesehen werden, die deutsche EZ erkenntnisorientierter aufzustellen.


    Anmerkungen

    Dieser GIGA Focus wurde im Rahmen der Begleitforschung zur Sonderinitiative „Gute Beschäftigung für sozial gerechten Wandel“ verfasst, die durch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert wird. Wir bedanken uns herzlich für die Finanzierung und die konstruktive Zusammenarbeit mit dem BMZ. Die hier dargestellten Positionen und Inhalte geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und sind nicht als Positionen des BMZ zu verstehen. Wir danken ebenfalls herzlich den durchführenden Organisationen der evaluierten Programme in Ghana und Côte d’Ivoire für ihre Kooperation. Neben den Autorinnen und Autoren dieses GIGA Focus haben an den Evaluationen mitgewirkt: Charles Atanga Adongo, Katharina Fietz, Peter Anti Partey, Jan Priebe und Regina Schnars, sowie unsere Interview-Teams in Ghana und Côte d’Ivoire. Darüber hinaus danken wir Eduardo Valencia für die Datenvisualisierungen in diesem GIGA Focus sowie in der interaktiven Darstellung online.


    Fußnoten


      Literatur

      Beber, Bernd, Regina Dworschak, Tabea Lakemann, Jann Lay und Jan Priebe (2020), Skills Development and Training Interventions in Africa: Findings, Challenges, and Opportunities, Projektbericht für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Juni, Zugriff 20. Juni 2024.

      Bertrand, Marianne, Bruno Crépon, Victoire Fribourg, Simon Cooper und Natalie Valent (2023), Vocational and Skills Training Programs to Improve Labor Market Outcomes, J-PAL Policy Insights, März, Zugriff 20. Juni 2024.

      Carranza, Eliana und David McKenzie (2024), Job Training and Job Search Assistance Policies in Developing Countries, in: Journal of Economic Perspectives, 38, 1, 221–244, Zugriff 20. Juni 2024.

      Groh, Matthew, Nandini Krishnan, David McKenzie und Tara Vishwanath (2016), The Impact of Soft Skills Training on Female Youth Employment: Evidence from a Randomized Experiment in Jordan, in: IZA Journal of Labor & Development, 5, 9, Zugriff 20. Juni 2024.

      Hirshleifer, Sarojini, David McKenzie, Rita Almeida und Cristobal Ridao-Can (2016), The Impact of Vocational Training for the Unemployed: Experimental Evidence from Turkey, in: The Economic Journal, 126, 597, 2115–2146.

      Kluve, Jochen, Susana Puerto, David Robalino et al. (2019), Do Youth Employment Programs Improve Labor Market Outcomes? A Quantitative Review, in: World Development, 114, Februar, 237–253, Zugriff 20. Juni 2024.

      McKenzie, David (2020), Small Business Training to Improve Management Practices in Developing Countries: Reassessing the Evidence for “Training Doesn’t Work”, Policy Research Working Paper Series 9408, World Bank, Zugriff 20. Juni 2024.

      Stöterau, Jonathan, Johanna Kemper und Andrea Ghisletta (2022), The Impact of Vocational Training Interventions on Youth Labor Market Outcomes: A Meta-Analysis, in: SSRN Electronic Journal, 13. September, Zugriff 20. Juni 2024.


      Lektorat GIGA Focus Afrika

      Petra Brandt

      Editorial Management


      Forschungsschwerpunkte

      Wie man diesen Artikel zitiert

      Beber, Bernd, Sarah Frohnweiler, Tabea Lakemann, und Jann Lay (2024), Gute Jobs durch Ausbildung: Anspruch und Realitäten der EZ in Afrika, GIGA Focus Afrika, 4, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), https://doi.org/10.57671/gfaf-24041


      Impressum

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