GIGA Insights | 09.04.2024
Senegal hat einen neuen Präsidenten gewählt. Der Oppositionspolitiker Bassirou Diomaye Faye hat die Wahl mit einer absoluten Mehrheit gewonnen und wurde bereits am Dienstag vereidigt. Wofür das neue Staatsoberhaupt steht, in welchem Zustand er das Land übernimmt und was der Wahlausgang für Westafrika bedeutet, beantwortet GIGA-Forscher Martin Acheampong in diesem Interview.
Wer ist das neue Staatsoberhaupt Senegals und wofür steht er?
Martin Acheampong: Der kometenhafte Aufstieg von Bassirou Diomaye Faye an die Macht kam für viele überraschend. Der 44-jährige ehemalige Beamte der Steueraufsichtsbehörde verbrachte die elf Monate vor den Präsidentschaftswahlen in Haft an der Seite des damaligen Oppositionsführers Ousmane Songo. Der Verfassungsrat hatte Songo aus dem Rennen um die Präsidentschaft ausgeschlossen, nachdem er von den Gerichten wegen Verleumdung und „unmoralischen Verhaltens“ sowie anderer erfundener Anschuldigungen im Zusammenhang mit der Planung eines Aufstandes verurteilt worden war. Seine Disqualifizierung ebnete den Weg für Bassirou Faye, der über keinerlei politische Führungserfahrung verfügt, um als Ersatzkandidat anzutreten. Am 14. März, zehn Tage vor den Präsidentschaftswahlen, wurden die beiden Männer unter großem Jubel in der senegalesischen Hauptstadt Dakar aus dem Gefängnis Cap-Manuel entlassen. Faye gewann die Wahlen in der ersten Runde und ernannte Songo kurz nach seinem Amtsantritt zum Premierminister.
Zu Fayes wichtigsten innenpolitischen Prioritäten gehört die Bekämpfung von Korruption, Ungerechtigkeit und Armut. Er verspricht „systemische Veränderungen“, um diese Probleme anzugehen. Es wird erwartet, dass seine Außenpolitik eine radikale Abkehr von der Vergangenheit darstellt, mit Anzeichen dafür, dass er den „Bruch“ und die „Souveränität“ von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich anstrebt. So hat sich Faye verpflichtet, die von Frankreich gestützte CFA-Währung entweder abzuschaffen oder ihre Bedingungen zu ändern und Verträge mit ausländischen Unternehmen neu auszuhandeln.
Wie sind die Wahl und der Wahlkampf abgelaufen? Welchen Einfluss hatte der bisherige Präsident Macky Sall auf die Wahlen?
Acheampong: Die Wahlen waren ursprünglich für den 25. Februar angesetzt. Doch nur drei Wochen vor diesem Datum machte Präsident Macky Sall eine schockierende Ankündigung: Er sagte die Wahl auf unbestimmte Zeit ab, weil es seiner Meinung nach einen Streit zwischen der Nationalversammlung und dem Verfassungsrat gab, der die Glaubwürdigkeit des Wahlprozesses beeinträchtigen könnte. Alles begann, nachdem die senegalesischen Gesetzgeber eine parlamentarische Untersuchung genehmigt hatten, die prüfen sollte, ob die Kandidatur potenzieller Präsidentschaftskandidaten durch den Verfassungsrat annulliert werden soll. Einer der ausgeschlossenen Kandidaten, Karim Wade, behauptete, dass zwei Mitglieder des Rates fragwürdige Verbindungen zu dem von Macky Sall favorisierten Kandidaten, Amadou Ba, hätten. Sall begründete seine Entscheidung, die Wahl zu verschieben, mit der Notwendigkeit eines nationalen Dialogs, um eine transparentere und integrativere Abstimmung zu gewährleisten.
Die Zivilgesellschaft und die internationale Gemeinschaft interpretierten diese Entscheidung als einen Versuch Salls, sein Mandat auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Die senegalesischen Oppositionsparteien vermuteten auch, dass es sich um ein politisches Manöver handeln könnte, um die Niederlage des von Sall bevorzugten Kandidaten Ba zu verhindern, da Sall seine Absicht bekräftigt hatte nicht zu kandidieren. Der Verfassungsrat lehnte die Verschiebung ab und setzte den Wahlkalender wieder in Kraft, der schließlich auf den 24. März festgelegt wurde.
Senegal gilt als eines der stabilsten Länder in Westafrika. Ist dieser Eindruck korrekt? In welchem Zustand ist das Land, in dem Faye die Führung übernimmt?
Acheampong: Innerhalb der westafrikanischen Subregion, die von vielen Wissenschaftler:innen als der „Putschgürtel Afrikas“ bezeichnet wird, ist der Senegal ein positives Beispiel. Die Beilegung der Verfassungskrise, der Wahlsieg der Opposition und die friedliche Machtübergabe zeigen, dass das Land bereit ist, seine beneidenswerte Position als Bollwerk der Stabilität und Demokratie in der Region zu festigen. Trotz erheblicher politischer Hindernisse wie der Verzögerung der Wahlen, der Disqualifizierung und Inhaftierung von Oppositionskandidaten und des dreisten Versuchs von Sall, die Wahlen zu verschieben, gelang es dem Land, freie und transparente Wahlen abzuhalten, aus denen die Opposition als Sieger hervorging.
In den letzten Jahren hat das Militär in den Nachbarländern Mali, Tschad, Guinea, Burkina Faso und Niger die Macht übernommen, wenn auch unter politisch lösbaren Umständen. Die Regierung Faye sollte aus den demokratischen Errungenschaften des Landes Kapital schlagen, indem sie die pro-demokratischen Kräfte unterstützt und eine versöhnliche und inklusive Regierung fördert. Der derzeitigen Jugendarbeitslosigkeit sollte sofortige Aufmerksamkeit geschenkt werden, und die Investitionen auf die Schaffung eines friedlichen demokratischen und wirtschaftlichen Umfelds für die wachsende junge Bevölkerung Senegals ausgerichtet sein.
Was bedeutet der Wahlausgang für die gesamte Region?
Acheampong: Die Botschaft ist klar: Trotz der Herausforderungen des Wahlprozesses haben die starken demokratischen Institutionen des Landes ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen. Sowohl die politischen Eliten des Landes als auch die ECOWAS-Regionalorganisation müssen vorrangig in die Stärkung der demokratischen Institutionen investieren. Diese Wahl sollte als Katalysator für die Bildung einer geeinten westafrikanischen demokratischen Allianz gegen Militärputsche und verfassungswidrige Regierungswechsel dienen, da sie zeigt, dass ein Wandel an den Wahlurnen möglich ist.
Text: Lisa Sänger