Religion für den Frieden: Identifizierung von Bedingungen und Mechanismen für interreligiösen Frieden


  • Religion ist zunehmend zu einem konfliktgeladenen Phänomen geworden und religiöse Gewalt und Diskriminierung nehmen weltweit zu. Allerdings gibt es auch viele Gesellschaften, die Beispiele für ein friedliches interreligiöses Zusammenleben sind. Wir leisten einen Beitrag zur empirischen Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Religion und interreligiösem Frieden, insbesondere im Hinblick auf Elemente des positiven Friedens wie interreligiöse Zusammenarbeit. DFG, 2020-2024



    Forschungsfragen

    Dieses Projekt beschäftigt sich mit der Frage: Was sind die Bedingungen und Mechanismen friedlicher interreligiöser Beziehungen, und welche politischen Maßnahmen sind vielversprechend für die Förderung des interreligiösen Friedens?

    Konkrete Fragen sind:
    1) Was sind die Bedingungen für friedliche interreligiöse Beziehungen weltweit?
    2) Welche institutionellen, ideellen und anderen Faktoren begünstigen den Frieden, wenn bestimmte andere Bedingungen ihn nicht begünstigen?
    3) Welche Mechanismen liegen dem Zusammenhang zwischen Religion und Frieden zugrunde?
    4) Welche politischen Maßnahmen sind daher vielversprechend für die Schaffung von Frieden zwischen den Religionen?

    Beitrag zu internationaler Forschung

    Religion ist zunehmend zu einem konfliktgeladenen Phänomen geworden und religiöse Gewalt und Diskriminierung nehmen weltweit zu (z. B. Toft et al. 2011; Grim & Finke 2011; Fox 2016). Gemäß der „Ambivalenz des Heiligen“ (Appleby 2000; Philpott 2007) ist Religion jedoch auch mit Frieden verbunden: Interreligiöser Frieden ist in der Tat eher die Norm als die Ausnahme. Selbst dort, wo die Bedingungen weniger günstig erscheinen, wie in religiös vielfältigen und eher armen Ländern wie Benin, Ghana, Mauritius oder Tansania, ist eine friedliche Koexistenz möglich. Theoretisch ist Religion auch eine Quelle für Frieden in einem weiteren Sinne, der über die Neutralisierung von Konfliktrisiken hinausgeht (z. B. Hasenclever & Rittberger 2000). Religiöse Ideen wie Normen und Werte der Gewaltlosigkeit, der universellen Liebe, der Toleranz und der Vergebung stärken das Vertrauen, verhindern Gewalt, inspirieren Friedensbemühungen während eines Konflikts und fördern die Versöhnung nach einem Konflikt. Was die Demografie religiöser Identitätsgruppen betrifft, so sind übergreifende Spaltungen und eine hohe Diversität friedensfördernd (z. B. Gubler & Selway 2011). Wenn die strukturellen Bedingungen ungünstig sind, können integrative Institutionen für eine ausgleichende Interessensvertretung aller Religionsgemeinschaften sorgen; oder interreligiöse Netzwerke können dazu beitragen, dass Vorurteile zwischen Regligionsgruppen abgebaut werden. Während eine wachsende Zahl empirischer Arbeiten den Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt untersucht (z. B. Svensson 2007, 2012; Toft 2007; Bormann et al. 2015; Basedau et al. 2016), ist interreligiöser Frieden kaum Gegenstand empirischer Forschung - insbesondere in Hinblick auf die positiven Aspekte von Religion.
    Dieses Projekt leistet einen Beitrag zur rigorosen empirischen Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Religion und interreligiösem Frieden, insbesondere im Hinblick auf Elemente des positiven Friedens wie die interreligiöse Zusammenarbeit.

    Forschungsdesign und Methoden

    Das Projekt untersuchte diese Fragen in einem mehrstufigen Forschungsdesign (z. B. Lieberman 2005; Poteete et al. 2010), das verschiedene Analyseebenen miteinander verbindet, um die Stärken qualitativer und quantitativer Strategien optimal zu nutzen. Zunächst wurde im Rahmen des Projekts die Theorie zu Religion und interreligiösem Frieden verfeinert, einschließlich der Entwicklung einer Konzeptualisierung des interreligiösen Friedens, die ausdrücklich Elemente positiven Friedens berücksichtigt. Anschließend nutzten wir einzigartige globale Daten - die in früheren Projekten gesammelt wurden -, die Informationen über Religion und Frieden liefern, um die globalen Bedingungen für interreligiösen Frieden zu ermitteln. Die länderübergreifende Analyse bildete die Grundlage für die Auswahl von Ländern, die trotz einer ungünstigen Demografie oder früherer Konflikterfahrung als „unwahrscheinliche Erfolgsgeschichten“ des interreligiösen Friedens gelten: Togo und Sierra Leone. Wir untersuchten die Gründe für den unwahrscheinlichen Erfolg der Aufrechterhaltung des interreligiösen Friedens mit Hilfe qualitativer Methoden und testeten Hypothesen zu kausalen Mechanismen die zu interreligiösem Frieden beitragen mit Experimenten. Diese Ergebnisse können dazu dienen, zusätzliche Faktoren, die den interreligiösen Frieden beeinflussen und die in der ursprünglichen quantitativen Analyse nicht berücksichtigt wurden, zu identifizieren, Daten zu sammeln und zu testen. Der letzte Schritt umfasste Aktivitäten, um die Ergebnisse des Projekts zu verbreiten, einschließlich Publikationsbestrebungen und Politikberatung in Gesellschaften, die von interreligiösen Konflikten bedroht sind.

    Vorläufige Ergebnisse

    Dieses Projekt trägt auf dreierlei Weise zur Forschung zu Religion und Frieden bei: Erstens schlägt es eine Definition für interreligiösen Friedens vor und erstellt eine Übersicht der relativ spärlichen Forschung zu (religiösen) Determinanten des interreligiösen Friedens. Zweitens misst das Projekt interreligiösen Frieden in einer globalen Vergleichsstudie und unterstreicht, wie die Beziehungen zwischen Staat und Religion wichtige Bedingungen für interreligiösen Frieden schaffen. Drittens werden anhand qualitativer und quantitativer Daten aus Togo und Sierra Leone Einblicke in die Mechanismen interreligiösen Friedens gewährt.

    Das Projekt definiert interreligiösen Frieden als Abwesenheit von interreligiöser physischer Gewalt, feindseligen Einstellungen und wahrgenommenen Bedrohungen sowie als Vorhandensein von interreligiöser Zusammenarbeit und Vertrauen. Ein systematischer Überblick der vorhandenen quantitativen Literatur zeigt, dass es kaum Forschungsarbeiten zu den religiösen Determinanten des interreligiösen Friedens gibt, insbesondere was die Rolle der religiösen Eliten und Institutionen betrifft. Die Bemühungen des Projekts, interreligiösen Frieden zu kartieren, zeigen große regionale Unterschiede. Insgesamt haben wir einen globalen Abwärtstrend beobachtet. In der globalen Vergleichsstudie untersuchte das Projekt drei wichtige religiöse Korrelate des Friedens: religiöse Ideen und Normen, die religiöse Demografie und die Beziehungen zwischen Staat und Religionen. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig staatliche Institutionen für den interreligiösen Frieden sind: Während Säkularisierung besonders wichtig für ein friedliches interreligiöses Zusammenleben zu sein scheint, untergräbt staatliche Diskriminierung den interreligiösen Frieden im Allgemeinen (Hoffmann et al. 2024).

    Anhand von Togo und Sierra Leone - zwei unwahrscheinlichen Erfolgsgeschichten des interreligiösen Friedens - haben wir lokale Theorien zu den Faktoren zusammengestellt, die zum Erhalt des interreligiösen Friedens beitragen. Das gesammelte Wissen der Gesprächspartner in Togo und Sierra Leone deutet darauf hin, dass starke soziale Beziehungen und Normen, integrative religiöse Vorstellungen, gelebte Toleranz und institutionelle Zusammenarbeit sowie der staatliche Schutz der Religions- und Glaubensfreiheit den interreligiösen Frieden trotz ungünstiger Bedingungen schützen (Akinocho et al. 2024). Umfragen mit Bewohnern von Lomé und Freetown zeigen, dass pro-mixing Normen mit mehr Interaktionen zwischen Mitgliedern religiöser Gruppen verbunden sind. Im Gegensatz dazu sind Präferenzen vor allem mit Menschen zu interagieren zu wollen, die religiös ähnlich sind, ein Hindernis für interreligiöse Kontakte. Inklusive religiöse Ideen und das Wissen über religiöse Praktiken der Outgroup können Faktoren sein, die Präferenzen für den Kontakt mit religiös Ähnlichen mindern, während exklusive religiöse Vorstellungen diese verstärken. (Köbrich et al. 2023). In einer experimentellen Studie haben Videoclips mit Friedensbotschaften die Zusammenarbeit und die Bereitschaft zu Kontakten über religiöse Grenzen hinweg effektiv erhöht. Entgegen unseren Erwartungen erwiesen sich Videobotschaften von 'non-leadern' als mindestens ebenso wirksam wie die von religiösen Würdenträgern - wenn nicht sogar noch wirksamer.

    Die Veröffentlichungen und und andere Ergebnisse des Projekts finden Sie unten.

    Political Psychology | 12.2024

    Overcoming Barriers to Interreligious Peace: Determinants of Preferences for Religiously Similar Others in Togo and Sierra Leone

    Dieser Mixed-Methods Artikel entwickelt und testet basierend auf Daten aus Togo und Sierra Leone Hypothesen zu Determinanten von Kontaktpräferenzen. Inklusive Ideen und Wissen zu Praktiken von Outgroups gehen mit schwächeren, exklusive Ideen mit stärkeren Präferenzen für ähnliche Menschen einher.

    Beitrag | 10.2024

    Interreligiösen Frieden zusammensetzen

    Das Projekt "Religion für den Frieden: Bedingungen und Mechanismen für interreligiösen Frieden" untersuchte, wie interreligiöser Frieden geschaffen und erhalten werden kann. Diese illustrierte Zusammenfassung präsentiert die wichtigsten Ergebnisse und zeigt, was wir über interreligiösen Frieden und seine Herausforderungen gelernt haben.

    Kapitel in Sammelband | 09.2024

    Erfolgsbedingungen interreligiösen Friedens

    Erfolgsbedingungen interreligiösen Friedens hängen vom Friedensbegriff ab. Unser Beitrag wendet einen erweiterten, positiven Friedensbegriff mit vier konstitutiven Elementen an, die aus den Dimensionen negativer und positiver Frieden sowie Verhalten und Einstellung gebildet werden.

    Journal of Intervention and Statebuilding | 09.2024

    Correlates of Peace: Religious Determinants of Interreligious Peace

    Während interreligiöse Konflikte vermehrt untersucht werden, fehlt es an Konzepten und empirischen Untersuchungen interreligiösen Friedens. Dieser Artikel stellt ein Konzept für interreligiösen Frieden vor, das zwischen positiven und negativen Elementen sowie Einstellungs- und Verhaltensaspekten unterscheidet.

    GIGA Focus Afrika | 2/2024

    Peaceful or Contentious? How to Promote Interreligious Peace in Africa

    In afrikanischen Gesellschaften gibt es Anerkennung religiöser Vielfalt, aber auch (gewalttätigen) religiösen Extremismus. Was bestimmt, ob interreligiöse Beziehungen friedlich oder angespannt sind? Was können wir von positiven Beispielen lernen und welche Rolle spielt religiöser Extremismus?

    Interreligiöse Beziehungen in Togo und Sierra Leone: Auffassungen des Beziehungsstatus

    German Institute for Global and Area Studies | 05.09.2024

    Interreligiöse Beziehungen in Togo und Sierra Leone: Auffassungen des Beziehungsstatus

    Organisation: German Institute for Global and Area Studies Julia Köbrich (Vortragende:r)

    Der Rückgang des interreligiösen Friedens und der Anstieg religiös motivierter Gewalt machen es dringend erforderlich, Wege zur Förderung des interreligiösen Friedens zu finden. Theoretische Diskussionen legen nahe, dass Auffassungen von intergruppalen Beziehungen – also das Verständnis der Menschen über den Status dieser Beziehungen – sowohl Gewalt als auch Frieden aufrechterhalten können. Daher sollte die Friedensforschung die Auffassungen von Intergruppen-Beziehungen genauer untersuchen.

    Vorbereitung auf Kontakt: Untersuchung der Determinanten individueller Präferenzen für interreligiösen Kontakt in Togo und Sierra Leone

    German Institute for Global and Area Studies | 17.06.2024

    Vorbereitung auf Kontakt: Untersuchung der Determinanten individueller Präferenzen für interreligiösen Kontakt in Togo und Sierra Leone

    Organisation: German Institute for Global and Area Studies Julia Köbrich (Vortragende:r)

    Kontakte zwischen verschiedenen Gruppen zur Reduzierung von Vorurteilen und zum Aufbau von Vertrauen ist entscheidend für die Friedensarbeit. Forschung zeigt, dass Intergruppen-Kontakt die Beziehungen verbessert, aber individuelle Präferenzen für ähnliche Personen (Homophilie) dies behindern. Daher ist es wichtig zu untersuchen, was diese Präferenzen formt, um Frieden zu fördern.

    Vorbilder für interreligiöse Toleranz und Frieden: Inspirationen aus Togo und Sierra Leone

    Ausstellungen | 13.07.2024

    Vorbilder für interreligiöse Toleranz und Frieden: Inspirationen aus Togo und Sierra Leone

    Ausstellungseröffnung 'Sharing Stories' IMBA Galerie, IMBA-Galerie, Hamburg Julia Köbrich (Berater:in)

    Religion scheint Menschen zugleich zu vereinen und zu trennen: Es gibt einen Anstieg religiös motivierter Diskriminierung und Gewalt. Dennoch leben vielerorts Menschen verschiedener Religionen friedlich zusammen. Der Vortrag befasste sich mit Togo und Sierra Leone als positive Vorbilder interreligiöser Toleranz und Frieden und stellt die Frage, wie ein friedliches Miteinander von Religionen gelingen kann.

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