GIGA Focus Latin America
Number 2 | 2008 | ISSN: 1862-3573
Wachwechsel in Kuba: Raúl Castro hat am 24. Februar offiziell die Nachfolge des erkrankten Fidel Castro an der Spitze des sozialistischen Staates angetreten.
Analyse Die Nachfolge Fidel Castros wurde seit seiner Erkrankung im Juli 2006 so graduell gestaltet, dass der jetzt vollzogene Schritt seiner de jure Ablösung keine unmittelbare politische Brisanz für die Regierung mehr hat. Raúl Castro, 49 Jahre lang Fidels loyaler Vize in allen Ämtern, tritt gleichwohl ein schweres Erbe an. Kuba steht ein komplexer wirtschaftlicher wie politischer Reformprozess bevor.
Oberster Imperativ für die neue kubanische Führung ist Elitenkohäsion. Gerade angesichts der bevorstehenden Veränderungen werden Brüche innerhalb von Partei, Armee und Staatselite als existenzielle Gefahr gesehen. So spiegelt die Besetzung der weiteren Ämter hinter Raúl das Bestreben wider, insbesondere die alte Garde einzubinden. Gerade um keinerlei Vorentscheidung über den designierten Nachfolger Raúls zu suggerieren, wurde der 77-jährige José Ramon Machado Ventura zum neuen Ersten Vize ernannt.
Raúl Castro hat mit dem Versprechen „tief greifender und struktureller Veränderungen“ in der Wirtschaft einen Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung erworben. Eine Reihe von Reformschritten ist angekündigt, die Umsetzung steht jedoch noch aus. Krux jeder Reform sind die gravierenden Verzerrungen, die aus der monetären Spaltung der Ökonomie in Peso- und Devisensektor resultieren. Raúls Reformversprechen haben hohe Erwartungen geweckt. In der Folge wird seine Regierung an den Resultaten gemessen werden.
Mit seinem Aufruf zu mehr Debatte und Kritik hat Raúl Castro auch eine Art kubanischer „Glasnost“ lanciert, um der Regierung neue Legitimität zu verschaffen. Gleichwohl hat dies eine Diskussion losgetreten, die letztlich das etablierte Modell der vertikalen politischen Kommunikation in Frage stellt. Bereits jetzt sind im Staats- und Parteiapparat Spannungen über Form und Ausmaß dieser Öffnung sichtbar.
Mit dem Abtritt der Symbolfigur Fidel Castro wird in den USA der Ruf nach einer pragmatischen Kuba-Politik lauter. Gleich wer die US-Präsidentschaftswahlen im Herbst gewinnt, die bisherige Kuba-Politik Washingtons steht danach zur Disposition.
Hoffmann, Bert (2008), Kuba: Wohin führt die Ära Raúl?, GIGA Focus Latin America, 2, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-275186
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