GIGA Focus Africa
Number 4 | 2020 | ISSN: 1862-3603
Despite confirmed cases of COVID-19 in Burundi, the government announced that it plans to hold its upcoming elections as scheduled, presumably picking a new president on 20 May 2020. President Pierre Nkurunziza is not standing for re-election. Instead, the ruling CNDD-FDD party has named General Evariste Ndayishimiye as its candidate – and offers this as a sign of the country’s democratisation. Many observers, however, doubt that Ndayishimiye can credibly represent change, as he belongs to the party’s elite.
According to the latest report by the UN Commission of Inquiry on Burundi, the elections pose a major risk to the country. In 2015 Nkurunziza’s controversial third term in office plunged the country into a political, economic, and social crisis.
Burundi is on the path towards becoming a one-party state. In the run-up to the elections, the regime – especially its youth militia, the Imbonerakure – has been cracking down on supporters of the main opposition party, the Congrès National pour la Liberté (National Congress for Freedom, CNL).
Civil and political rights are being systematically restricted. The Burundian National Media Council routinely censors or dissolves independent media outlets. International and domestic NGOs face severe constraints, and it is impossible for many exiled Burundians to return.
Despite the expected change of head of state, Burundi’s current political development is characterised by continuity. Nonetheless, Ndayishimiye’s more conciliatory rhetoric since his nomination may help re-establish a dialogue with the international community.
The leverage of external actors to address the situation is limited. Direct cooperation with the government would undermine demands for democracy and human rights. Yet, complete disengagement is also counterproductive. Instead, German and European policymakers should strive to support both civil society and the democratic opposition, along with offering humanitarian assistance. A coherent EU strategy is essential in this regard.
Ende März 2020 gab Burundis Gesundheitsminister Thadée Ndikumana die ersten Fälle von Covid-19 im Land bekannt. Seitdem betonten Regierungsmitglieder wie der Vizepräsident Gaston Sindimwo, dass die für den 20. Mai 2020 angesetzten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen unverändert stattfinden sollen. Burundi geht damit einen anderen Weg als beispielsweise Äthiopien, wo die Wahlkommission bereits ankündigte, die für den 29. August 2020 geplanten Wahlen zu verschieben. Obwohl ein Aufschub der Wahlen in Burundi bisher nicht öffentlich erwogen wird, stellt der Coronavirus eine weitere Unbekannte in einer ohnehin fragilen Vorwahlsituation dar.
Die Wahl eines neuen Präsidenten ist vorbelastet durch die letzten Wahlen vom 29. Juli 2015, die Burundi in eine politische, ökonomische und soziale Krise stürzten (Grauvogel und Simons 2015). Pierre Nkurunzizas kandidierte vor fünf Jahres trotz der Beschränkung der Präsidentschaft auf zwei Amtszeiten erneut. Er rechtfertigte dies damit, dass seine erste Amtszeit nicht „zählte“, da er vom Parlament und nicht wie in der Verfassung vorgeschrieben direkt vom Volk gewählt worden war. Proteste gegen Nkurunzizas umstrittene dritte Amtszeit wurden durch das Regime brutal niedergeschlagen; ein Putschversuch hochrangiger Generäle scheiterte im Vorfeld der Wahl. Nkurunziza und seine Partei CNDD-FDD (Conseil National pour la Défense de la Démocratie – Forces de Défense de la Démocratie) gewannen die von internationalen Beobachterinnen und Beobachtern kritisierten und von Gewalt begleiteten Abstimmungen. Während die Regierung seitdem die Rückkehr Burundis zu Normalität, Stabilität und Frieden betont, sind die politischen Auseinandersetzungen und die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise keinesfalls beigelegt. Die folgenden fünf nationalen, regionalen und internationalen Entwicklungen im Hinblick auf das Erbe des Krieges, die externe Konfliktdimension und -bearbeitung sowie innerstaatliche Institutionen und Politiken stellen in diesem Kontext ein besonderes Risiko für die kommenden Wahlen dar:
Fehlende Aufarbeitung der Gewalt: Die Forschung zeigt, dass rechtliche Aufarbeitung im Rahmen von sogenannter Übergangsjustiz (Transitional Justice) die Gefahr eines erneuten Konfliktausbruchs unter bestimmten Umständen vermindert (Loyle und Appel 2017). Die Gewalteskalation vor, während und nach den letzten Wahlen wurde aber bisher nicht aufgearbeitet. Verschiedene nationale und internationale Institutionen, die dazu beitragen könnten, haben entweder kein entsprechendes Mandat (mehr) oder wurden des Landes verwiesen. Im Jahr 2014 hat die burundische Wahrheits- und Versöhnungskommission CVR (Commission Vérité et Réconciliation) ihre Arbeit aufgenommen. Ihr Untersuchungszeitraum klammert den aktuellen Konflikt jedoch aus. Stattdessen hat die CVR vor Kurzem unter großem Medienecho damit begonnen, Massengräber zu öffnen, bei denen es sich laut ihres Leiters Pierre Clayer Ndayicariye um Opfer von Massakern an der Hutu-Bevölkerung aus dem Jahr 1972 handele. Diese Funde – und vor allem die fehlende psychologische Aufarbeitung – bergen die Gefahr, die Bevölkerung erneut zu traumatisieren und im schlimmsten Fall ethnische Ressentiments kurz vor den Wahlen wiederzubeleben. Auch die reguläre Justiz trägt nicht zur Aufklärung der Übergriffe auf Oppositionelle, Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten sowie zivilgesellschaftliche Akteure bei; Straflosigkeit ist im Land weit verbreitet. Außerdem trat Burundi im Jahr 2017 als erstes Mitgliedsland aus dem internationalen Strafgerichtshof aus, nachdem dieser umfassende Untersuchungen der jüngsten Entwicklungen angekündigt hatte. Dies macht eine internationale Aufarbeitung der Gewalt im Zuge der Krise unmöglich.
Gescheiterte regionale und internationale Vermittlungsbemühungen: Die afrikanische Sicherheitsarchitektur ist von einem Nebeneinander verschiedener Organisationen geprägt (Vines 2013). In Burundi bemühten sich mit Ausbruch der Krise im Jahr 2015 dementsprechend verschiedene Akteure zu vermitteln. Das energische Vorgehen der Afrikanischen Union, deren Friedens- und Sicherheitsrat zwischenzeitlich sogar die Entsendung einer großen Mission nach Burundi erwog, wurde bald vom eher zögerlichen Vorgehen der Ostafrikanischen Gemeinschaft EAC (East African Community) abgelöst (Wilén und Williams 2018). Spannungen und Uneinigkeiten innerhalb der EAC erschwerten ein gemeinsames Vorgehen. Die fünfte und letzte Gesprächsrunde zwischen der burundischen Regierung, Teilen der (Exil-)Opposition und dem EAC-Vermittler Benjamin Mkapa endete im Oktober 2018 ohne nennenswerte Ergebnisse, weitere Schritte wurden seitdem nicht unternommen. Auch der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen (UN) für Burundi, Michel Kafando, beendete im Oktober 2019 resigniert seine Mission. Im Falle einer erneuten Eskalation nach den Wahlen gibt es daher aktuell keine regionalen oder internationalen Mediationsstrukturen, die für schnelle Vermittlungsbemühungen genutzt werden könnten.
Ungelöste Situation der Flüchtlinge: Infolge der gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden im Vorfeld der letzten Wahlen und des gescheiterten Putsches flohen mehr als 430.000 Menschen aus Burundi in die DR Kongo sowie nach Ruanda, Tansania und Uganda. Noch immer leben laut dem Flüchtlingshilfswerk der UN fast 350.000 Burundierinnen und Burundier in den Nachbarländern (UNHCR 2020). Vor allem Tansania, wo ein Großteil der Menschen Zuflucht gefunden hat, drängt auf ihre Repatriierung und schloss mit Burundi im Jahr 2019 ein entsprechendes bilaterales Abkommen. Auch die burundische Regierung hat die Menschen dazu aufgefordert, nach Burundi zurückzukehren. Dort drohen ihnen aber nach wie vor Repression, Folter und Vergewaltigung, wie Berichte des UN-Menschenrechtsrates belegen (Commission of Inquiry on Human Rights in Burundi 2019). Ein friedlicher Verlauf der Wahlen könnte Forderungen nach einer schnellen Rückkehr der Geflüchteten verschärfen, obwohl bisher sowohl eine Strategie als auch finanzielle Mittel für deren Wiedereingliederung fehlen. Diese Faktoren könnten Konflikte um Land sowie andere knappe Ressourcen und damit letztlich Spannungen in den lokalen Gemeinschaften verstärken.
Zwangsabgaben zur Finanzierung der Wahlen: Die Europäische Union (EU) hat seit dem Jahr 2016 alle direkten Zuwendungen an Burundi ausgesetzt. Dies stellt eine enorme Belastung für den burundischen Haushalt dar, der bis dahin ungefähr zur Hälfte aus externen Budgethilfen bestritten wurde. Um die Finanzierung der Wahlen ohne die Unterstützung westlicher Geber sicherzustellen, begann die burundische Regierung im Juli 2017, auf dem Papier freiwillige Beiträge zu sammeln. Im Dezember desselben Jahres wurde das Vorgehen durch ein Dekret formalisiert, das auch die Höhe der Abgaben für verschiedene Bevölkerungsgruppen festlegte. Obwohl die Regierung die Beitragssammlung im Sommer 2019 offiziell beendete, da die notwendigen finanziellen Ressourcen für die Wahlen vorhanden waren, werden sie unter der Hand weiter eingefordert (International Crisis Group 2020). Die Zwangsabgaben stellen für die Bevölkerung, die ohnehin unter der prekären wirtschaftlichen Situation im Land leidet, eine zusätzliche Belastung dar. Sie schüren die Unzufriedenheit der Menschen im Vorfeld der Wahl.
Umstrittene Verfassungsänderung: Am 17. Mai 2018 hat die Bevölkerung bei einem von staatlichen Einschüchterungen und Gewalt begleiteten Referendum für eine Verfassungsreform gestimmt. Einige der wichtigsten Neuregelungen werden erst mit den kommenden Wahlen in Kraft treten. Drei Änderungen sind dabei besonders umstritten (Vandeginste 2020): Erstens verliert die Tutsi-Minderheit ihre Vetomacht im Parlament. Seit dem Friedensvertrag von Arusha im Jahr 2000, der Burundis langjährigen Bürgerkrieg beendete, stehen der Minderheit der Tutsi 40 Prozent der Sitze im Parlament zu. Anders als bisher bedürfen Gesetze laut der neuen Verfassung jedoch keiner qualifizierten Mehrheit, sodass die Tutsi nicht mehr über eine sogenannte Sperrminorität verfügen. Zweitens schafft die neue Verfassung die einflussreiche Position einer Premierministerin oder eines Premierministers, welche oder welcher der gleichen Partei und Ethnie wie die Präsidentin oder der Präsident angehören kann. So fällt ein wichtiges Element des Ausgleichs weg: Die Vizepräsidentin oder der Vizepräsident, die oder der nach wie vor nicht zur gleichen Partei und Ethnie gehören darf wie die Präsidentin oder der Präsident, übt in Zukunft primär repräsentative Funktionen aus. Drittens wird die Machtposition der Präsidentin oder des Präsidenten ausgebaut. Ihre oder seine Amtszeit wird von fünf auf sieben Jahre ausgedehnt, sie oder er muss in Zukunft allen Gesetzen des Parlamentes de facto zustimmen und sie oder er hat die alleinige Kontrolle über den staatlichen Geheimdienst, welcher so der parlamentarischen Aufsicht entzogen wird. Da diese Bestimmungen mit den Wahlen in Kraft treten, könnten sie die Bereitschaft der Opposition verringern, eine Niederlage zu akzeptieren.
Im Zuge des Verfassungsreferendums im Jahr 2018 kündigte Nkurunziza an, bei den nächsten Wahlen nicht mehr anzutreten. Die Verfassungsänderung hätte ihm ermöglicht, bis zum Jahr 2034 im Amt zu bleiben. Durch seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur versuchte er, der nationalen und internationalen Kritik an der Neuregelung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Da sich die Proteste im Jahr 2015 an Nkurunzizas Kandidatur entzündet hatten, besteht innerhalb der Regierungspartei auch die Hoffnung, mit einem neuen Kandidaten eine Eskalation wie bei den letzten Wahlen zu vermeiden. Außerdem ist der Verzicht auf eine erneute Kandidatur Nkurunzizas keinesfalls gleichbedeutend mit politischer Bedeutungslosigkeit; seine Macht hinter den Kulissen gilt weiterhin also sehr hoch (The Burundi Human Rights Initiative 2020b). Darauf deutet auch die Aussage des neuen Kandidaten hin, Nkurunziza imitieren zu wollen.
Die CNDD-FDD nominierte am 26. Januar 2020 ihren Generalsekretär Evariste Ndayishimiye als Präsidentschaftskandidaten. Ein zuvor verabschiedetes Gesetz garantiert Nkurunziza unter anderem eine halbe Million US-Dollar als Abfindung, ein stattliches Monatsgehalt für den Rest seines Lebens sowie den Titel „ewiger Führer“. Dieses umfangreiche Rentenpaket sorgt bei der wirtschaftlich gebeutelten Bevölkerung für Unzufriedenheit.
Auch die Person Ndayishimiye steht nicht für einen umfassenden Neuanfang. Einerseits betonte er, dass seine Kandidatur von der demokratischen Kultur der Regierungspartei zeuge und hob nach seiner Nominierung die gute Zusammenarbeit der Parteien bei der Organisation der Wahlen hervor. Andererseits ist Ndayishimiye Teil der CNDD-FDD-Elite. Als ehemaliger Minister für Inneres und Sicherheit (2006-2007) hat er gute Beziehungen zum Militär. Er war außerdem während des Bürgerkrieges einer der führenden Generäle auf der Seite der damaligen Rebellen und symbolisiert daher nicht Wandel, sondern Kontinuität. Auf Nkurunziza folgt erneut ein Kriegsveteran und kein ziviler Kandidat, was den Einfluss der Generäle auf die Politik festigt. Das Militär bleibt also wie in vielen anderen Ländern (Croissant, Eschenauer und Kamerling 2018) ein wichtiger politischer Akteur. Auch wenn die späte Nominierung Ndayishimiyes auf Auseinandersetzungen innerhalb der Partei über die Nachfolge Nkurunzizas hindeutet, sind diese nicht im Detail nach außen gedrungen. Die CNDD-FDD hat den angestrebten Wechsel an der Spitze des Staates also bisher ohne sichtbare Uneinigkeit eingeleitet.
Gleichzeitig bleiben die Handlungsspielräume für die politische Opposition extrem beschränkt. Eine Gesetzesänderung führte im vergangenen Jahr dazu, dass sich die wichtigste Oppositionspartei des Landes neu registrieren lassen musste. Während dies unter dem neuen Namen Congrès National pour la Liberté (CNL) reibungslos gelang, kam es in der Folge zu regelmäßigen Übergriffen auf Parteimitglieder. In einem gemeinsamen Statement sprachen burundische und internationale Menschenrechtsorganisationen von 47 Hinrichtungen, 102 willkürlichen Verhaftungen und 15 Fällen von Folter alleine in den letzten drei Monaten des Jahres 2019 (CCPR Centre 2020). Hinzu kommt, dass zwischen Juni und Dezember 2019 mindestens 40 Bürogebäude der CNL zerstört, verbrannt oder anderweitig beschädigt wurden (The Burundi Human Rights Initiative 2020a: 20). Diese Taten werden laut der UN-Untersuchungskommission vor allem von der Jugendmiliz der CNDD-FDD, den Imbonerakure verübt (Commission of Inquiry on Human Rights in Burundi 2019).
Auch in Bezug auf die Präsidentschaftskandidaten bewegt sich das Regime zwischen der formalen Einhaltung gewisser Prozesse, um den rechtsstaatlichen Schein zu wahren einerseits und tatsächlicher Willkür andererseits. Die Kandidaturen fünf weiterer Bewerber wurden zugelassen. Unter ihnen ist Agathon Rwasa, der Vorsitzende der CNL. Gleichzeitig gab die nationale Wahlkommission am 10. März bekannt, dass vier weitere Kandidaturen zurückgewiesen wurden. Diese Entscheidung, die nicht weiter begründet wurde, betrifft unter anderem den Generalsekretär des Exiloppositionsrates sowie den ehemaligen Präsidenten Domitien Ndayizeye. Unklar ist bisher, inwieweit unabhängige internationale Wahlbeobachtung möglich sein wird. Die burundische Regierung äußerte sich mehrfach ablehnend gegenüber einer Beobachtermission der EU während der bevorstehenden Wahlen. Aktuell ruhen die Hoffnungen daher vor allem auf einer Beobachtermission seitens der EAC.
Zusammenfassend zeichnen diese Entwicklungen im Vorfeld der Wahlen das Bild eines Regimes, das seine Macht weiter verfestigt – wenn auch mit einem neuen Spitzenkandidaten. Burundi hat sich de facto in Richtung eines Einparteienstaates entwickelt, da das Regime alle Bereiche des öffentlichen Lebens kontrolliert und den Handlungsspielraum der Opposition per Gesetz und durch Repression sehr stark einschränkt. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Partei und Staat immer mehr, wie auch die Ernennung des Anführers der Jugendmiliz Imbonerakure zum Generaldirektor des staatlichen Fernsehens und Radios im vergangenen Jahr exemplarisch zeigt. Zuletzt nutzten Mitglieder der Imbonerakure auch Corona als Vorwand, um ihr gewaltsames Vorgehen gegen Kritikerinnen und Kritiker zu rechtfertigen. Diese Entwicklungen sind jedoch keinesfalls neu, sondern zeigen die Kontinuität autoritärer Herrschaft unter der CNDD-FDD: Bereits vor dem Ausbruch der Krise im Jahr 2015 schränkte die Regierung durch ein Gesetz zum Status der Opposition die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit politischer Akteure erheblich ein.
Seit den letzten Wahlen sind die Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Burundi enorm angestiegen. Die burundische Regierung geht vehement gegen kritische Stimmen aus der Zivilbevölkerung vor. Der Handlungsspielraum ist durch willkürliche Staatsgewalt und repressive Gesetzgebungen für unabhängige Medien, lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten stark eingeschränkt. Die folgenden Entwicklungen und Maßnahmen zeigen das repressive Umfeld auf, in dem sich die kommenden Wahlen abspielen werden.
In Burundi wurden ähnlich wie in vielen anderen Ländern weltweit (Rutzen 2015) die Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft zuletzt stark eingeschränkt. Zwischen den Jahren 2016 und 2019 führte die burundische Regierung eine Reihe umstrittener Gesetzesreformen ein, welche die Kontrolle über die Zivilgesellschaft verstärken. Im Jahr 2016 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Funktionsweise lokaler NGOs neu regeln soll. Dies brachte gravierende Veränderungen in der Verwaltung der NGOs mit sich und erweiterte den Ermessensspielraum der Regierung bei der Überwachung und Kontrolle lokaler NGOs. Seit dem Jahr 2016 wurden viele, vor allem lokale NGOs, suspendiert oder verboten, insbesondere diejenigen mit politischem und menschenrechtlichem Fokus.
Im Januar 2017 erließ die burundische Regierung ein Gesetz zur Regelung der Zusammenarbeit zwischen Burundi und internationalen NGOs (INGOs). Laut Gesetz wird von den INGOs unter anderem verlangt, bei der Einstellung von burundischem Personal die im Arusha-Friedensabkommen festgelegten ethnischen Quoten einzuhalten. Auf dieser Grundlage können die Behörden Neueinstellungen zulassen oder verbieten (Vandeginste 2019). Während viele INGOs diese Bestimmung im Jahr 2018 ablehnten, bestand das burundische Innenministerium im Februar 2020 erneut darauf, dass lokale und ausländische NGOs personenbezogene Daten zur ethnischen Herkunft der Mitarbeitenden weiterreichen. Angesichts der auch von ethnopolitischer Gewalt geprägten Geschichte Burundis sendet dies kurz vor den Wahlen ein besorgniserregendes Signal.
Die Entwicklung in Burundi zeigt, dass das Phänomen der Shrinking Spaces, also der schwindenden Handlungsspielräume, auch eine Geschlechterdimension aufweist. Präsident Nkurunziza ist im Zuge einer „Moralisierungskampagne“ bestrebt, die Freiheiten von Frauen und Mädchen weiter einzuschränken, anstatt der grassierenden Gewalt gegen Frauen und Kinder entgegenzuwirken. So wurde im Jahr 2017 Frauen per Gesetz das Tragen von Miniröcken und das traditionelle Trommeln in der Öffentlichkeit verboten. Unverheiratete Paare können auf Grundlage eines seit Ende des Jahres 2017 geltenden Gesetzes, das „freie Beziehungen“ oder eheähnliches Zusammenleben verbietet, strafrechtlich verfolgt werden. Zuwiderhandlungen werden mit einer Freiheitsstrafe von ein bis drei Monaten und einer Geldstrafe geahndet. Lokale Autoritäten verhängten in Teilen des Landes im Jahr 2019 eine nächtliche Ausgangssperre für Frauen.
Neben der Zivilgesellschaft spielen freie Medien eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung der Bevölkerung über mögliche Wahlmanipulationen. In Burundi ist die Ausübung der Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit aber stark eingeschränkt. Die burundische Regierung dominiert die Medienlandschaft. Unabhängige Medien sehen sich mit Zensur durch die nationale Medienaufsichtsbehörde NCC konfrontiert. Internationale Sendestationen wie BBC und VOA sind seit dem Jahr 2018 suspendiert. Die lokale Wochenzeitung IWACU und der französische Sender RFI wurden mehrfach verwarnt. Die meisten unabhängigen Radiosender sind nach wie vor geschlossen. Dutzende von Journalistinnen und Journalisten befinden sich seit dem Jahr 2015 im Exil. Die noch in Burundi arbeitenden Medienvertreter wenden hauptsächlich Selbstzensur an oder recherchieren im Verborgenen, wodurch sie einem hohen Risiko ausgesetzt sind.
Im Jahr 2019 verabschiedete die Regierung ein neues restriktives Mediengesetz, das Journalistinnen und Journalisten verpflichtet, nur über Informationen zu berichten, die als „ausgewogen“ im Sinne der CNDD-FDD gelten. Im Vorfeld der Wahlen legte die NCC zudem einen Verhaltenskodex für die Wahlperiode 2020 vor. Dieser verbietet Journalistinnenen und Journalisten, vorläufige oder endgültige Wahlergebnisse zu veröffentlichen oder zu verbreiten, die nicht offiziell von der Wahlkommission CENI bekannt gegeben wurden. Diese Bestimmung setzt die Transparenz des Wahlprozesses aufs Spiel.
Während viele zivilgesellschaftliche Akteure im Kontext schwindender Handlungsräume in Burundi agieren, sind andere ins Ausland geflohen. Bis heute befinden sich viele Oppositionelle, Journalistinnen und Journalisten sowie Mitglieder der Zivilgesellschaft im Exil. Gegen einige von ihnen liegen Haftbefehle der burundischen Behörden vor. Diejenigen, die sich noch immer in Burundi aufhalten, sind gezwungen, in einem Kontext verschärfter Repression und innerhalb eines rechtlichen Rahmens zu arbeiten, der von Menschenrechtsexperten der UN als „obstruktiv, repressiv und stigmatisierend“ beschrieben wird (Commission of Inquiry on Human Rights in Burundi 2020). Eine unabhängige Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen und Unregelmäßigkeiten vor und während der Wahlen ist aufgrund der aufgezeigten Faktoren nicht möglich.
Im Kontext des immer enger werdenden Handlungsspielraums für Zivilgesellschaft und Medien ist die Katholische Kirche eine der wenigen Institutionen im Land, die Repressalien im Vorfeld der Wahlen öffentlich kritisieren. Im September 2019 verliehen katholische Bischöfe ihrer Besorgnis über politische Gewalt vor den Wahlen und Repression gegenüber bestimmten Oppositionsparteien Ausdruck und kritisierten dabei auch die Rolle der Imbonerakure. Bereits nach den Wahlen im Jahr 2015 äußerten sich Vertreterinnen und Vertreter der Katholischen Kirche kritisch zu der staatlichen Gewalt und sahen sich daraufhin staatlicher Repressionen ausgesetzt. Daher waren die jüngsten Äußerungen der Katholischen Kirche erneut ein wichtiges Signal, um sowohl innerhalb des Landes als auch nach außen die angespannte Situation darzulegen und dem staatlichen Narrativ der Rückkehr zu Ruhe, Frieden und Stabilität zu widersprechen.
Die EU hielt sich im Vorfeld der letzten Präsidentschaftswahlen auf diplomatischer Ebene zurück und reagierte zunächst nur zögerlich auf die gewaltvolle Eskalation. Im Juni 2015 setzte die deutsche Bundesregierung dann in Reaktion auf die anhaltende Gewalt und Missachtung demokratischer Regeln die Entwicklungszusammenarbeit mit der burundischen Regierung aus. Auch die für Ende 2015 geplanten Verhandlungen über die weitere Zusammenarbeit beider Länder sind auf unbestimmte Zeit suspendiert. Seit der Schließung des Länderbüros der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) in Bujumbura wird versucht, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft per Fernsteuerung aus der ruandischen Hauptstadt Kigali fortzusetzen. Dieser Ansatz soll weiterhin die Bevölkerung unterstützen, ist aber aufgrund der räumlichen Distanz, der unregelmäßigen Kommunikation mit den Partnerinnen und Partnern sowie der fehlenden politischen Begleitung vor Ort eine Herausforderung. Die burundische Regierung zeigt sich gegenüber internationaler Kritik und Sanktionen seit dem Jahr 2016 resistent.
Die Reaktion der deutschen Bundesregierung folgte der Linie anderer Geberländer der EU, die ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit zum Teil oder ganz aussetzten. Am 14. März 2016 beendete der Europäische Rat die mit Burundi gemäß Artikel 96 des Cotonou-Abkommens geführten Konsultationen. Auf dessen Grundlage setzte die EU die direkte finanzielle Unterstützung der burundischen Behörden aus, erhält aber die finanzielle Unterstützung für die Bevölkerung und die humanitäre Hilfe aufrecht. Des Weiteren verhängte der Europäische Rat Reisebeschränkungen und Finanzsanktionen gegen vier Burundier. Die Maßnahmen betreffen den stellvertretenden Generaldirektor der Nationalpolizei Godefroid Bizimana, den Stabschef der Präsidialverwaltung, verantwortlich für Angelegenheiten in Bezug auf die Nationalpolizei, Gervais Ndirakobuca und einen hohen Beamten des Nationalen Nachrichtendienstes, Joseph Mathias Niyonzima, die für Gewalt gegen Demonstrierende, schwere Menschenrechtsverletzungen und die Koordinierung der Imbonerakure verantwortlich gemacht werden, sowie einen der führenden Köpfe des gescheiterten Putsches, Léonard Ngendakumana. Sie wurden zuletzt bis zum 31. Oktober 2020 verlängert. Im Alleingang hat Frankreich jedoch im August 2019 seine bilaterale Beziehung zu Burundi wieder aufgenommen. Diese Entscheidung kam für die weiteren Mitgliedsländer überraschend, da Burundi noch immer unter Sanktionen der EU steht. Angesichts der angespannten Situation vor den Wahlen und den kontinuierlich stattfindenden Menschenrechtsverletzungen ist ein solcher Alleingang ein Affront gegenüber einer gemeinsamen Politik und ermöglicht der Regierung Burundis die unterschiedlichen Positionen der EU-Länder zu ihren Gunsten zu nutzen.
Auch wenn viele Burundierinnen und Burundier die Nominierung Ndayishimiyes nicht als Zeichen eines tief greifenden Wandels sehen, unterscheidet er sich in einem Aspekt vom aktuellen Präsidenten: Anders als der Amtsinhaber strebt er eine Annäherung an die internationale Gemeinschaft und ein Ende der burundischen Isolation an. Während er nach seiner Ernennung zum Generalsekretär der CNDD-FDD im Jahr 2016 zunächst westliche Länder als neokoloniale Akteure kritisierte und für die Krise in Burundi verantwortlich machte, schlägt er vor allem seit seiner Nominierung versöhnlichere Töne an. Auch die wirtschaftliche Krise im Land hat den Wunsch politischer Akteure in Burundi nach einer Öffnung befeuert. Für die deutsche und europäische Politik stellt sich daher die Frage, welche Szenarien für die weitere Entwicklung Burundis denkbar sind und unter welchen Voraussetzungen eine Wiederaufnahme der Gespräche wünschenswert wäre. Im Folgenden skizzieren wir drei mögliche Entwicklungen sowie ihre Bedeutung für westliche Akteure. Da freie und faire Wahlen sehr unwahrscheinlich sind (Wilén 2019), beinhaltet keines dieser Szenarien einen Wahlsieg der Opposition.
Annäherung ohne tief greifenden Wandel: Die burundische Regierung bemüht sich um einen friedlichen Verlauf der Wahlen. Falls die Wahlen ohne nennenswerte Zusammenstöße ablaufen und der neue Präsident seine Politik der rhetorischen Eingeständnisse fortsetzen sollte, würde dies die Bereitschaft der EU-Länder zu einem Dialog mit der burundischen Regierung erhöhen. In diesem Fall ist eine Wiederaufnahme diplomatischer Gespräche wünschenswert. Außerdem sollte das Engagement der Bundesrepublik Deutschland in Burundi verstärkt und nicht zurückgefahren werden. Burundi zählt zu den wirtschaftlich ärmsten Ländern weltweit und benötigt eine kontinuierliche Unterstützung. Ansonsten werden die oben skizzierten Risikofaktoren auch überregionale Auswirkungen haben. Zu den Mindestvoraussetzungen für eine Annäherung gehören zwei wichtige friedensfördernde Maßnahmen: Einerseits muss die burundische Regierung glaubwürdige Schritte zur Demobilisierung der Jugendmilizen einleiten, die unter internationaler Beobachtung erfolgen sollten. Andererseits ist für eine bilaterale Zusammenarbeit entscheidend, dass der Handlungsspielraum für Medien und NGOs wieder vergrößert und die Suspendierung vieler lokaler NGOs aufgehoben wird.
Fortsetzung des Status quo: Selbst bei einem nicht von Gewalt überschatteten Verlauf der Wahlen könnten die Einschränkungen der bürgerlichen Rechte der Bevölkerung sowie der Opposition so offensichtlich sein, dass westliche Akteure von einer Annäherung Abstand nehmen. Für die burundische Bevölkerung hätte eine solche Entwicklung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und gesundheitlichen Krise gravierende Folgen. Die medizinischen Kapazitäten im Fall einer Ausbreitung des Coronavirus sind vollkommen unzureichend und die Ernährungssituation für Teile der Bevölkerung ist prekär. Falls die politische Situation also keine diplomatische Annäherung zulässt, muss dennoch die humanitäre Hilfe für Burundi ausgebaut werden. Neben nichtstaatlichen Akteuren könnte diese vor allem über UN-Sonderorganisationen der Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Außerdem sollte Deutschland seinen Einfluss nutzen, um bei regionalen Akteuren wie der EAC, der AU und der Internationalen Konferenz der Großen Seen auf ein stärkeres Engagement im Konflikt zu drängen.
Eskalation der Gewalt: Ein relativ friedlicher Verlauf der Wahlen ist keinesfalls sicher. Eine Eskalation der Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der CNDD-FDD und der CNL sind abhängig vom Verlauf der Wahlen denkbar. Hinzu kommen die oben benannten Risikofaktoren sowie eine hoch bewaffnete militante und politisch instrumentalisierte Jugend auf Seiten der Regierung und der Opposition. Der Konflikt seit dem Jahr 2015 ist politischer Natur, aber es gab immer wieder Versuche verschiedener politischer Akteure, erneut ethnische Ressentiments zu schüren. Sollte eine ethnische Lesart neuer möglicher Zusammenstöße vor dem Hintergrund der Berichterstattungen über die CVR an Deutungskraft gewinnen, könnte der Konflikt auch eine regionale Dimension bekommen, da sich Ruanda als Schutzmacht der Tutsi-Bevölkerung in Burundi versteht. In diesem Fall ist ein schnelles und entschiedenes Eingreifen der internationalen Gemeinschaft basierend auf einer Konfliktanalyse, welche auch der regionalen Dimension Rechnung trägt, entscheidend. Bei diesem Szenario erscheint es wenig aussichtsreich, auf regionale Vermittlungsbemühungen zu setzen. Die EAC ist gespalten und ihre Mitgliedsstaaten sind zu sehr in den schwelenden Konflikt involviert, um zu vermitteln. Stattdessen sollten Deutschland und die EU auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrates drängen und selbst weitere gezielte Sanktionen gegen politische Akteure verhängen, die vor, während oder nach den Wahlen Gewalt anwenden.
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