GIGA Focus Lateinamerika
Nummer 6 | 2006 | ISSN: 1862-3573
Brasilien beherrscht seit Anfang Mai mit der Inbetriebnahme seiner Urananreicherungsanlage Resende II als neuntes Land der Welt den vollständigen Brennstoffkreislauf. Die Regierung von Präsident Lula da Silva verweigert den Kontrolleuren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Inspektion der Ultrazentrifuge, die das Herzstück der Anlage bildet.
Analyse Während die US-Regierung die Urananreicherungsaktivitäten im fernen Iran scharf verurteilt, hat sie sich mit der brasilianischen Regionalmacht mit der Urananreicherung in ihrem geostrategischen Hinterhof arrangiert. Die Zuspitzung des Konflikts mit dem iranischen Regime lässt Brasiliens Nuklearpolitik ebenso in den Hintergrund treten wie die jüngst vereinbarte Nuklearkooperation zwischen den USA und Indien. Erst Brasilias Absicht, sowohl mit dem von Hugo Chávez regierten Venezuela als auch mit China bei der zivilen Nutzung der Atomenergie zusammenzuarbeiten, machen die nuklearen Ambitionen des Amazonasstaates wieder deutlicher, aber:
Das Streben nach Atomwaffen und der Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag nach indischem Vorbild ist für die brasilianische Regierung keine realistische Option.
Der Aspirant auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat wird sich voraussichtlich auf die zivile Nutzung beschränken, um seinen chronischen Energieengpass zu überwinden.
Aus Sicht der US-Außenpolitik stellt sich die Frage, wie einerseits das gute Verhältnis zu der regionalen Ordnungsmacht Brasilien aufrechtzuerhalten und andererseits das globale Proliferationsrisiko gering zu halten ist.
Flemes, Daniel (2006), Urananreicherung im Hinterhof: Brasiliens Nuklearpolitik und die USA, GIGA Focus Lateinamerika, 6, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-274754
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