GIGA Focus Nahost
Nummer 10 | 2009 | ISSN: 1862-3611
Am 20. August 2009 fanden in Afghanistan turnusgemäß Präsidentschaftswahlen statt. Der amtierende Präsident Hamid Karzai stellte sich dabei zur Wiederwahl. Da er im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erreichte, hätte er sich laut Verfassung einer Stichwahl stellen müssen. Nach dem Verzicht des Zweitplatzierten sagte die Wahlkommission die Stichwahl ab und erklärte Hamid Karzai am 2. November 2009 zum Sieger.
Analyse Die Präsidentschaftswahl in Afghanistan hat verdeutlicht, dass Wahlen allein noch kein Ausdruck für eine demokratische Konsolidierung sind. Unregelmäßigkeiten wie etwa präparierte Wahlurnen, "Phantomwähler" und massive Bedrohung von Wahlwilligen, für einen bestimmten Kandidaten zu stimmen, entwerteten das Ergebnis und damit auch jeden auf ihm fußenden Versuch einer Regierungsbildung. Ausländische Regierungen, insbesondere von Staaten, die in Afghanistan Truppen stellen, mussten sich die Frage stellen, wie die Unterstützung einer Regierung mit einer so geringen demokratischen Glaubwürdigkeit zu rechtfertigen ist.
Die Präsidentschaftswahlen vom 20. August 2009 waren von Wahlbetrug geprägt. Von den Manipulationen profitierte insbesondere Amtsinhaber Hamid Karzai, aber auch zugunsten anderer Kandidaten wurden Stimmen gefälscht.
Über 2.000 Beschwerden gingen bei der Wahlbeschwerdekommission ein, von denen 700 als potenziell das Wahlergebnis beeinflussend eingestuft wurden. Die von Präsident Karzai eingesetzte "Unabhängige Wahlkommission" erklärte diesen zwar zum Sieger im ersten Durchgang, musste aber nach Intervention der Beschwerdekommission etwa ein Viertel der Stimmen annullieren.
Unstimmigkeiten innerhalb der UN Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) trugen dazu bei, die Position der internationalen Gemeinschaft zu schwächen. UNAMA-Chef Kai Eide unterstützte Karzai lange und entließ seinen Stellvertreter Peter Galbraith, der den Betrug offen benannt hatte.
Die Absage der Stichwahlen nach dem Rückzug des Zweitplatzierten Abdullah Abdullah und die Ausrufung Hamid Karzais zum Wahlsieger verstärken die Zweifel an der Legitimität seiner Präsidentschaft.
Kühn, Florian P. (2009), Afghanistan: Neuer alter Präsident vor ungewisser Zukunft, GIGA Focus Nahost, 10, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-275612
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