GIGA Insights | 03.12.2024
Syrien – Innerhalb weniger Tage haben die radikal-islamistischen Rebellen von Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) mit alliierten Gruppen größere Gebiete in Syrien eingenommen, darunter große Teile der Millionenstadt Aleppo. Die Rebellen rückten mit Pick-Up-Trucks und Motorrädern vor und setzten Drohnen sowohl für die Überwachung als auch für Angriffe ein.
Das Ziel der Rebellen war es, nach einer längeren Zeit der Verteidigung ihres Gebiets in Idlib wieder in die Offensive zu kommen. Bei Rebellenangriffen sowie den Gegenschlägen der Streitkräfte des syrischen Präsidenten und Diktators Bashar al-Assad sowie der mit ihm verbundenen russischen Luftwaffe wurden mehrerer Hundert Zivilist:innen getötet; Tausende mussten fliehen. Gleichwohl wird die Schwächung Assads von vielen Syrer:innen mit Wohlwollen aufgenommen.
Laut GIGA-Experte Dr. André Bank, der die Lage in Syrien seit Ausbruch des Bürgerkriegs analysiert, nutzte HTS eine Schwächephase des Regimes: „Das Assad-Regime und seine Verbündeten – Russland und Iran – sind durch den Krieg in der Ukraine entweder gebunden oder durch Israels Angriffe im Libanon und Syrien geschwächt. Die Rebellen wussten das auszunutzen und haben im richtigen Moment zugeschlagen“, sagt André Bank gegenüber Merkur.de. Dazu kommt, dass Assad auch in anderen arabischen Ländern nicht mehr den Rückhalt hat, den er einst hatte. Ganz überraschend kommen die jüngsten Angriffe für den Syrien-Experten allerdings nicht: Die Gewalt in Syrien hat bereits in den letzten beiden Jahren zugenommen.
Die HTS, ehemals bekannt als Jabhat an-Nusra und einst mit al-Qa'ida verbunden, versteht sich als Gegenspieler des sogenannten Islamischen Staates (IS). Ihr Ziel ist ebenfalls die Errichtung einer islamischen Ordnung, sie ist jedoch weniger transnational als vielmehr auf Teile Syriens konzentriert.
Die Angriffe haben das Assad-Regime erheblich geschwächt. Er kündigte bereits eine militärische Gegenoffensive an, was eine weitere Eskalation der Gewalt in Syrien erwarten lässt. Entscheidend wird für die nahe Zukunft sein, in welchem Maße Assads bisherige Unterstützer Russland und Iran sich militärisch engagieren werden; die libanesische Hizbollah, die nach 2011 ein wichtiger Unterstützer Assads war, fällt als militärischer Akteur in Syrien kurzfristig aus.
Welche Rolle die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan in diesem Konflikt spielt und ob Assad mit Unterstützung aus Russland oder dem Iran den Vormarsch stoppen kann, erfahren Sie in den Medienbeiträgen, in denen Dr. André Bank seine Expertise teilt:
Text: Lisa Sänger