GIGA Focus Asia
Number 2 | 2007 | ISSN: 1862-359X
Am 9. Dezember 2006 wählten die Bewohner der beiden größten Städte Taiwans, Taipei und Kaohsiung, ihre Bürgermeister und Stadträte. Die Wahlen galten den beiden großen Parteien, Nationale Volkspartei (Kuomintang, KMT) und Demokratische Fortschrittspartei (DPP), als Testfall für die 2008 anstehenden Präsidentenwahlen.
Analyse: Bürgermeister- und Stadtratswahlen in Taiwan waren einst wichtige Etappen in der Demokratisierung des Landes. Zugleich fungierte der Bürgermeisterposten beider Metropolen mehrfach als Sprungbrett auf dem Weg zu den höchsten Staatsämtern. Diesmal ging es aber nicht nur um die Kandidaten selbst, sondern auch um die Fragen: Würden die Wähler die Kandidaten der Regierungspartei wegen der Korruptionsaffären um Präsident Chen Shui-bian abstrafen? Und wie würde die Partei des Herausforderers von Präsident Chen, Ma Ying-jeou, einst Chens Nachfolger im Rathaus von Taipei, abschneiden?
Das Überraschendste am Wahlergebnis war, dass die affärengeschwächte DPP von der Wählerschaft nicht, wie erwartet, abgestraft wurde. Das „grüne Lager“ um den Präsidenten scheint sich wieder gefangen zu haben. Eine Auswirkung der Korruptionsaffären ist dennoch nicht zu übersehen: ein Einbruch bei der Wahlbeteiligung. Der Ansehensverlust der Politiker in der Gesellschaft schreitet fort.
Die Wahlentscheidungen bei der Abstimmung über die Bürgermeister erfolgten in hohem Maße personalisiert, während bei der Wahl der Stadtverordneten die Parteizugehörigkeit eine dominierende Rolle spielte. Dabei zeigt sich erneut der seit Jahren zu beobachtende Hang zur politischen Mitte; die großen Parteien wurden gestärkt, die kleinen verloren.
Zwei mögliche Kandidaten für die nächste Präsidentschaftswahl verfehlten ihre Wahlziele: Frank Hsieh von der Regierungspartei DPP konnte die politische Mitte nicht von sich überzeugen, Ma Ying-jeou, Vorsitzender der Oppositionspartei KMT, nicht die Südtaiwaner. Das schwächt ihre Aussichten für 2008.
Die Mehrheit der Taiwaner lehnt die politische Lagerbildung ab. Die tiefe Kluft zwischen dem chinaorientierten „blauen“ und dem taiwan-nationalistischen „grünen“ Lager verhinderte jedoch bisher, dass aus dieser Einsicht Konsequenzen gezogen wurden. Erneut signalisierte nun die Wählerschaft, dass sie die Taktiererei, die Selbstgerechtigkeit und das fruchtlose Gezerre der politischen Elite leid ist.
Schütte, Hans-Wilm (2007), Taiwans Wähler votieren für die politische Mitte, GIGA Focus Asia, 2, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-276770
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