GIGA Focus Middle East
Number 6 | 2011 | ISSN: 1862-3611
Am 5. Juni 2011 verließ der jemenitische Präsident Ali Abdallah Saleh inmitten von Massenprotesten, die sich seit fünf Monaten gegen seine autoritäre Herrschaft richten, sein Land. Er begab sich nach Saudi Arabien, um sich dort von seinen schweren Verletzungen zu kurieren, die er sich kurz zuvor bei einer Explosion auf seinem Palastgelände zugezogen hatte.
Analyse Obwohl Vizepräsident Abd Rabu Mansour Hadi, der inzwischen die Amtsgeschäfte im Jemen übernommen hat, betont, dass Präsident Saleh binnen kurzer Zeit zurückkehren werde, feiern die Anti-Saleh-Demonstranten bereits ihren Erfolg. Zunehmend überschatten jedoch gewalttätige Konflikte die friedliche demokratische Protestbewegung, so dass der Jemen am Scheideweg zu stehen scheint. Ist ein Bürgerkrieg zu befürchten oder beschreitet der Jemen, so wie es sich die Demonstranten wünschen, "den ersten Kilometer der Würde"?
Wie in anderen arabischen Staaten künden auch die Proteste im Jemen vom zunehmenden Unwillen großer Teile der Bevölkerung, die Herrschaft autoritärer Präsidenten weiter hinzunehmen.
Je länger jedoch das durch die Abreise Salehs verursachte Machtvakuum andauert und kein Richtungswechsel hin zu demokratischen Reformen stattfindet, desto größer ist die Gefahr einer Eskalation der Gewalt.
In erster Linie drohen die Sezession des Südens, der Machtzuwachs der Huthi-Rebellen im Norden, die Ausbreitung von al-Qa’ida sowie eine Verschärfung von Stammeskonflikten, insbesondere durch die traditionelle Rivalität zwischen der mächtigen al-Ahmar Familie und den engsten Verwandten von Präsident Saleh, welche das Militär und die Sicherheitskräfte zu maßgeblichen Teilen kontrollieren.
Gleichzeitig könnte sich eine historische Gelegenheit zum Wandel auftun. Die Protestbewegung hat sich neue Formen der Mobilisierung erschlossen und kann zudem an bereits gemachte Erfahrungen des nationalen Dialogs von 1993 anknüpfen. Darüber hinaus wachsen erste Keime eines neuen gesamtstaatlichen Nationalismus, weil viele Demonstranten erkennen, dass die häufig dem Süden zugeschriebenen Missstände keinesfalls partikular sind.
Ranko, Annette Büchs (2011), Der Jemen am Scheideweg: Demokratisierung oder Bürgerkrieg?, GIGA Focus Middle East, 6, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-274369
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