GIGA Focus Nahost
Nummer 10 | 2012 | ISSN: 1862-3611
Am 21. Oktober 2012 starben im christlich geprägten Viertel Bab Touma in Damaskus zehn Menschen durch eine Autobombe; viele weitere wurden verletzt.
Analyse Christen im Nahen Osten sind seit Jahren Opfer der Gewalt islamistischer Extremisten. Die Gewalttaten tragen häufig amorphen, erratischen Charakter. So exzessiv sie teilweise sind, so wenig taugt das Bild einer systematischen, religiös oder religionspolitisch fundierten "Christenverfolgung".
Insbesondere in politischen Umbruchsituationen sind Christen zu Zielscheiben von Gewalt geworden. Dabei dienten sie Anhängern der (ehemaligen) Opposition als Sündenböcke der Politiken gescheiterter autoritärer Staaten.
Religionsfreiheit beschränkt sich im Nahen Osten auf das Recht der freien Religionsausübung; jedoch wird auch dieses Recht in arabischen Ländern ohne eine starke Tradition autochthoner Christen häufig beschnitten. Oft übersehen wird hierbei allerdings, dass die nahöstlichen Systeme die orientalischen Kirchen privelegieren, weshalb diese die Grenzen der Religionsfreiheit weitgehend akzeptieren.
Der Libanon, dessen politisches System stark von Christen geprägt ist, besitzt aufgrund seiner demokratischen Defizite nur geringe Ausstrahlungskraft auf die aktuellen Verfassungdebatten in den Transformationsländern des Arabischen Frühlings, bei denen die Frage des Verhältnisses von Religion und Staat wichtig ist.
Die Gewalt trägt zur Auswanderung autochthoner Christen aus dem Nahen Osten bei. Die zentrale Ursache hierfür ist allerdings die seit Jahrzehnten währende sozioökonomische Krise in der arabischen Welt. Christen haben unter anderem aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Bildung bessere Chancen, in westlichen Einwanderungsländern Aufnahme zu finden.
Die häufig vertretene These vom "christlichen Exodus" aus dem Nahen Osten blendet aus, dass es auch eine durch Arbeitsmigration in den Nahen Osten bedingte "christliche Genesis" gibt.
Beck, Martin (2012), Zur Lage der Christen im arabischen Nahen Osten, GIGA Focus Nahost, 10, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-321073
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