GIGA Focus Lateinamerika
Nummer 11 | 2007 | ISSN: 1862-3573
Am 28. Oktober entschied eine klare Mehrheit der Argentinier, die Geschicke des Landes für die kommenden vier Jahre der bisherigen First Lady, Cristina Fernández de Kirchner, anzuvertrauen. Ihr eindeutiger Sieg im ersten Wahlgang war neben dem persönlichen Erfolg als Politikerin mit Profil auch eine Prämie für die insgesamt erfolgreiche Politik ihres Gatten Ernesto Kirchner. Dieser hat es während seiner Präsidentschaft geschafft, die argentinische Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen und durch einige mutige Entscheidungen, insbesondere in der Menschenrechts- und Verschuldungsfrage, der seit der schweren Systemkrise 2001/02 zutiefst verstörten und der Politik entfremdeten argentinische Gesellschaft wieder Vertrauen zu geben.
Analyse Der erneute Wahlsieg der Peronisten ist zugleich eine herbe Quittung für das Versagen der nach wie vor fragmentierten Opposition. Sie hat es weder programmatisch noch personell geschafft, eine überzeugende Alternative zu bieten. Die strukturellen Herausforderungen, mit denen sich die neue Regierung in der Innen- und Außenpolitik konfrontiert sieht, sind erheblich, die Versuchung groß, konstruktive Lösungen einmal mehr zu vertagen und statt dessen gemäß dem sogenannten K-System (K=Kirchner) konjunkturellen Entscheidungen den Vorzug zu geben, getroffen am Kabinett vorbei im Rahmen kleiner Machtzirkel und Ad-hoc-Allianzen.
Die Vergangenheit – charakterisiert durch eine chronische Instabilität – lastet schwer im kollektiven Gedächtnis der Argentinier. Sie wird von vielen Beobachtern als die einzige Konstante der argentinischen Geschichte des 20. Jahrhunderts angesehen.
Nach den traumatischen Ereignissen der Jahreswende 2001/02, war es den Präsidenten Duhalde und Kirchner gelungen, den von vielen prognostizierten totalen Systemkollaps zu vermeiden – was an ein Wunder grenzt – und die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.
Mit der klaren Wahlentscheidung am 28. Oktober für Cristina Fernández de Kirchner setzten die Wähler in erster Linie auf Kontinuität – und ein neues Gesicht. Abzuwarten bleibt, ob die Präsidentin, gestützt auf eine Mehrheit in beiden Kammern, den Mut aufbringt, sich von dem autoritären und populistischen Politikstil ihres Vorgängers und Ehemanns zu verabschieden, neue inhaltliche Akzente in der Innen- und Außenpolitik zu setzen und insbesondere die immer wieder vertagten strukturellen Reformen der zweiten Generation in Angriff zu nehmen.
Bodemer, Klaus (2007), Von Kirchner zu Kirchner: Argentinien nach den Wahlen, GIGA Focus Lateinamerika, 11, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-274286
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