GIGA Focus Global
Nummer 2 | 2017 | ISSN: 1862-3581
Gegenwärtig leben circa 60 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern, die als „nicht frei“ oder nur als „teilweise frei“ gelten. Neben einem Rückgang der Qualität von Demokratien hängt dies maßgeblich mit dem Fortbestand autoritärer, diktatorischer Regime zusammen. Diese stabilisieren ihre Herrschaft nicht nur durch innenpolitische Maßnahmen, sondern auch mit Hilfe von vier internationalen Dimensionen.
Autokratieförderung bezeichnet die direkte, gezielte Unterstützung autoritärer Regime durch einflussreiche Groß- oder Regionalmächte. Die Beispiele China, Russland und Saudi-Arabien unterstreichen, dass Autokratieförderung primär der Stabilisierung loyaler Partner und nur ansatzweise der Entwicklung eines geteilten ideologischen Projekts dient.
Autoritäre Diffusion liegt vor, wenn vergleichbare nicht- oder antidemokratische Politiken zeitnah in unterschiedlichen Ländern dominant werden. Ein wichtiges Beispiel solcher unkoordinierten, kaum zentral gesteuerten internationalen Diffusionsprozesse ist die globale Verbreitung der staatlichen Einschränkung von Nichtregierungsorganisationen sowie von Internetaktivismus.
Autoritäre Regime lernen, indem sie die politischen Strategien anderer Staaten beobachten, übernehmen und implementieren. Positives Lernen meint hier die Orientierung an einem externen Modell, wohingegen sich negatives Lernen auf Versuche bezieht, die Fehler anderer im eigenen Land zu vermeiden.
Autoritäre Regime kooperieren in vielfältigen Formen der bi- und multilateralen, zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Wichtige Foren sind Regionalorganisationen, in denen autoritäre Regime klar dominieren, wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder der Golfkooperationsrat.
Diese vier internationalen Dimensionen autoritärer Regime müssen im Umgang mit Diktaturen rund um den Globus berücksichtigt werden. Auch Demokratien sind auf vielfältige Weise aktiv beteiligt. Deshalb ist eine selbstkritische Analyse des eigenen Handelns unerlässlich. Nur vor dem Hintergrund einer stärkeren Sensibilisierung für die eigene, teils (nicht-)intendierte Stabilisierung autoritärer Regime ist eine nachhaltig demokratisch-emanzipatorische Außenpolitik möglich, die nicht die Fehler der Vergangenheit reproduziert.
Ägypten, Belarus, China, Eritrea, Iran, Jordanien, Kasachstan, Marokko, Ruanda, Singapur, Turkmenistan, die Vereinigten Arabischen Emirate, Zimbabwe – die Liste autoritärer Regime weltweit ist lang und ihre Erscheinungsformen sind vielfältig. Im Jahr 2017 leben circa 60 Prozent der Weltbevölkerung in Ländern, die von Freedom House als „nicht frei“ oder „teilweise frei“ bezeichnet werden, da zentrale politische Freiheiten und bürgerliche Rechte eingeschränkt werden (Freedom House 2017). Global gesehen stellen Diktaturen zwar weiterhin keine Mehrheit gegenüber Demokratien dar, ihre Zahl hat sich jedoch im letzten Jahrzehnt auf einem hohen Niveau konsolidiert. Regional dominieren autoritäre Regime seit mehreren Jahrzehnten im Nahen Osten und Nordafrika sowie im postsowjetischen Raum Osteuropas, im Kaukasus sowie in Zentralasien. Angesichts der Beharrungsfähigkeit autoritärer Regime und der zunehmenden internationalen Aktivitäten von China, Russland und anderen einflussreichen Diktaturen zeichnen Medien das Bild einer „autoritären Internationalen“, die ihre Herrschaftsform exportieren möchte.
Entsprechend der globalen Bedeutung autoritärer Regime hat sich auch die politikwissenschaftliche Erforschung des Phänomens in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verändert. Anfänglich standen wissenschaftliche Untersuchungen noch stark unter der von der Transformationsforschung inspirierten Leitfrage nach der Wahrscheinlichkeit und dem Zeitpunkt der als zwangsläufig angenommenen Demokratisierung. Seit den 2000er Jahren richtet sich der Fokus der Forschung jedoch mehr auf die Herrschaftspraktiken und die durchaus flexiblen Anpassungsfähigkeiten autoritärer Regime selbst. In der Definition von Juan Linz ist Autoritarismus eine Herrschaftsform des begrenzten, nicht verantwortlichen politischen Pluralismus (Linz 1964: 297). Darauf basierend unterscheidet die Vergleichende Politikwissenschaft verschiedene Subtypen – je nachdem, welche Gruppe über die zentrale Entscheidungsmacht verfügt (Einparteienregime, Militärregime, personalistische Regime, Monarchien und Mischformen).
Autoritäre Regime sichern ihre Macht durch einen Mix aus Repression, politischer und ökonomischer Kooptation von Eliten und Legitimation. Wenn man den Fokus auf diese Stabilisierungsstrategien legt, können zentrale Dynamiken autoritärer Regime erfasst werden, jedoch bleiben die Untersuchungen einseitig auf die Ebene der Nationalstaaten fixiert. Es gibt aber auch außenpolitische Strategien autoritärer Regime und vielfältige Formen der internationalen Zusammenarbeit zwischen Diktaturen, die deren Macht sichern und deshalb systematisch berücksichtigt werden müssen (Tansey 2016: 25 ff.; Weyland 2017). Vier internationale Dimensionen autoritärer Regime lassen sich unterscheiden: die Autokratieförderung, die Diffusion autoritärer Politiken, das Lernen autoritärer Regime sowie die Kooperation autoritärer Regime untereinander. Je nachdem, ob das Sender- oder Empfängerland bei einer Dimension aktiv oder passiv agiert, und ob der Einfluss direkt oder indirekt ausgeübt wird, ergeben sich verschiedene Konstellationen (Tabelle 1).
Autokratieförderung (autocracy promotion) bezeichnet die direkte, gezielte Unter-stützung und Stärkung autoritärer Regime durch einflussreiche Groß- und Regionalmächte. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen hier als bedeutendste „Senderländer“ die autoritären Großmächte China und Russland, die beide jeweils weit über ihr engeres regionales Umfeld hinaus außenpolitisch aktiv sind. Detaillierte Analysen der chinesischen Außenpolitik zu den Regionen außerhalb Asiens legen nahe, dass Peking einen äußerst pragmatischen, wenig explizit ideologischen Politikansatz verfolgt, der gleichgesinnte Partnerländer vor allem über den Handel und andere wirtschaftliche Anreize politisch zu stabilisieren sucht (Bader 2015).
Ähnlich wie China verfolgt auch das autoritäre Regime in Russland unter Präsident Putin eine weithin ideologiefreie Außenpolitik gegenüber anderen autoritären Regimen. Zwar spielen ethnisch-russische Gemeinschaften in Russlands Nachbarschaft eine besondere Rolle in der russischen Außenpolitik, jedoch hat dies keine grundlegenden Auswirkungen auf eine stärker ideologisch orientierte internationale Strategie im Sinne aktiver, nachhaltiger Förderung eines ideologischen Projekts (Tolstrup 2015). Bei Regionalmächten zeichnet sich in Bezug auf Autokratieförderung ein komplexeres Bild ab. Das autoritäre Saudi-Arabien verfolgt zwar eine Politik des radikal-sunnitischen Religions- und Bildungsexports im Nahen Osten und auch weit darüber hinaus. Seine Außenpolitik und Allianzbildung im Kontext der arabischen Aufstände im Jahr 2011 war jedoch mit dem obersten Ziel der Eindämmung des regionalen Rivalen Iran traditionell stark pragmatisch ausgerichtet (Odinius und Kuntz 2015).
Die prominenten Beispiele China, Russland und Saudi-Arabien unterstreichen, dass eine genuine Autokratieförderung im Sinne einer aktiven Unterstützung und Stärkung eines „positiven“ ideologischen Projekts – welcher Art auch immer – im 21. Jahrhundert kaum existiert. Hierin ist ein Unterschied zu früheren Zeiten, etwa während der Zwischenkriegszeit (1918-1939) oder während des Kalten Krieges, zu verzeichnen. Einzige aktuelle Ausnahme hierzu scheint der Versuch von Venezuela unter Hugo Chávez gewesen zu sein, in den 2000er Jahren den Bolivarianismus in verschiedenen Ländern Lateinamerikas zu fördern, unter anderem in Bolivien, Ecuador, Nicaragua und Honduras (de la Torre 2017). Das Beispiel des Bolivarianismus ist jedoch umstritten, da einige der lateinamerikanischen „Empfängerländer“ nur bedingt als autoritäre Regime bezeichnet werden können.
Insgesamt kann festgehalten werden, dass autocracy promotion nicht wirklich als ein Spiegelbild internationaler Versuche der Demokratieförderung (democracy promotion) existiert. Dennoch gibt es vielfältige Formen der direkten internationalen Unterstützung durch autoritäre Groß- und Regionalmächte, von denen autoritäre Regime in weniger einflussreichen Staaten profitieren können.
Bei Diffusion handelt es sich um nichtintendierte, unkoordinierte und kaum zentral gesteuerte Prozesse. Im Kontext der internationalen Dimension autoritärer Regime bedeutet dies, dass sich stark ähnelnde Formen autoritärer Politiken fast zeitgleich in mehreren Ländern auftreten. Nicht nur räumliche Nähe, sondern auch gewisse Strukturähnlichkeiten zwischen Ausgangs- und Empfängerland gelten als zentral für erfolgreiche Diffusion.
Ein prominentes Beispiel hierfür stellt die globale Zunahme von Gesetzen dar, die Nichtregierungsorganisationen (non-governmental organizations, NGOs) ein-schränken. Eine regelrechte Repressionswelle gegen NGOs, vor allem im Bereich der Menschenrechte, lässt sich seit dem Jahr 2012 rund um den Globus beobachten, etwa in Ländern wie Ägypten, China, Kambodscha, Russland und Uganda. Sie kann auch leicht zeitversetzt für nach formalen Kriterien nichtautoritäre Kontexte in Ecuador, Israel oder Ungarn beobachtet werden (Sherwood 2015). Autoritäre Regime gehen repressiv gegen zivilgesellschaftliche Organisationen vor, weil NGOs gerade unter den erschwerten Bedingungen einer Diktatur eine wichtige Rolle für die politische Bildung und Mobilisierung der Bürger spielen können. Erfahrungsgemäß sind sie aufgrund ihres Wissens um die innenpolitischen Schwachstellen, ihrer organisatorischen Fähigkeiten sowie ihrer lokalen, nationalen wie internationalen Netzwerke oft maßgebliche Akteure und inhaltliche Stichwortgeber bei Protesten. NGOs werden deshalb von staatlicher Seite mit bürokratischen Hürden konfrontiert, beispielsweise durch Registrierungs- und Meldepflichten. In Algerien mussten sich zivilgesellschaftliche Organisationen zum Beispiel einer umfassenden erneuten Registrierung unterziehen; offenbar wollte das autoritäre Regime so einen Großteil der NGO-Landschaft in die Illegalität treiben. Eine weitere Einschränkung sind Gesetze zur Regelung von ausländischer Finanzierung von NGO-Aktivitäten, die mit dem Verweis auf den Schutz nationaler Souveränität und dem Vorgehen gegen externe Einmischung begründet werden. In einigen Fällen ist es daraufhin zum Entzug der Zulassung von NGOs gekommen, wie das Beispiel der Soros Foundation in Ungarn und in Usbekistan zeigt.
Auch staatliche Einschränkungen des Internetaktivismus verbreiten sich durch Diffusionsprozesse. Durch seine dezentrale Struktur und die potenzielle Vielfalt an Meinungen stellt das Internet autoritäre Regime vor neue politische Herausforderungen. Die arabischen Aufstände im Jahr 2011 haben gezeigt, dass oppositionelle Aktivisten mit Hilfe von Facebook und Twitter die staatliche Kontrolle umgehen und Menschen erfolgreich für Proteste mobilisieren konnten. Auch vielfältige unabhängige Online-Nachrichtenportale berichteten über Polizei- und Militärgewalt und boten somit eine Alternative zu den zensierten Staatsmedien.
Autoritäre Regime im Nahen Osten und in Nordafrika, aber auch weit darüber hinaus reagieren sehr ähnlich auf die Herausforderung des Internetaktivismus: Mit technischen Mitteln sperren autoritäre Regime den Zugang zu einzelnen Webseiten, im Extremfall verhängen sie sogar zeitweilige, umfassende Internetsperren. Darüber hinaus gehen sie mit Verhaftungen, Rufmord und direkter körperlicher Gewalt gezielt gegen Blogger und Online-Journalisten vor. Gleichzeitig sind autoritäre Regime auch längst selbst auf vielfältige Weise im Internet politisch aktiv, etwa indem sie eigene Webseiten und Blogs kreieren und regimefreundliche Inhalte auf (vermeintlich) neutralen Webseiten platzieren.
Die Übernahme und Implementierung von politischen Strategien und Taktiken anderer Autokratien ist ein zentrales Element von Lernprozessen autoritärer Regime. Dabei ist lediglich das Empfängerland aktiv; eine Koordination zwischen dem Vorbild und dem nachahmenden Land ist nicht nötig. Lernen kann zwar auch auf historischen Erfahrungen im eigenen Land beruhen; der internationale Aspekt bezieht sich jedoch auf Lernen aus dem Ausland. Generell unterscheidet man zwischen „positivem“ und „negativem“ Lernen. Positives Lernen meint die Orientierung von politischen Eliten an einem externen Modell, das als erfolgreich wahrgenommen wird. Negatives Lernen bezieht sich auf Versuche, die Fehler anderer im eigenen Land nicht zu wiederholen.
Der Nachweis, dass Lernprozesse stattgefunden haben, ist schwer zu erbringen, da diese auf der individuellen, kognitiven Ebene ansetzen. Ob Lernprozesse eher innerhalb der Eliten oder in Institutionen stattfinden, ist bisher ungeklärt. Aufgrund des ausgeprägten Personalismus in Autokratien kommt individuellen Lernprozessen vermutlich eine größere Rolle zu als in Demokratien. Ein Bestimmungsfaktor für Lernprozesse ist die räumliche Nähe zum Vorbild, ein zweiter die Ähnlichkeit von politischen Strukturen auch in weiter entfernten Staaten. Selbst wenn Lernen stattfindet, verhindern bisweilen strukturelle Faktoren die praktische Umsetzung der neu erlernten Einsichten. Dies resultiert aus der Machtverteilung interner Eliten, dem Gegendruck von regionalen und internationalen Akteuren oder der mangelnden bürokratischen Kapazität (Bank und Edel 2015).
Die Forschung zu autoritärem Lernen hat sich intensiv mit den arabischen Aufständen im Jahr 2011 beschäftigt. Als Resultat dieser Forschungen wurde sichtbar, dass bei Krisen autoritärer Regime „negatives Lernen“ vorherrscht (Bank und Edel 2015). So zielten Polizeieinsätze bei Massenprotesten nach den ersten Rücktritten der Präsidenten in Tunesien und Ägypten in den anderen Staaten darauf ab, bereits die Übernahme und Besetzung zentraler Plätze durch die Demonstrierenden zu verhindern. Dies sollte einen „Tahrir-Platz-Effekt“ verhindern. Besonders frappierend war dieses Vorgehen im Fall Algeriens: Am 12. Februar 2011, dem Tag nach dem Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak, versuchte eine massive Polizeiübermacht, die angekündigten Proteste klein zu halten. Circa 30.000 Sicherheitskräfte standen bereit, um die Versammlung von etwa 2.000 Demonstranten auf dem zentralen Platz in Algier zu zerstreuen. Noch deutlicher war dieses Vorgehen im März 2011 in Bahrain, als Sicherheitskräfte das Perlenmonument auf dem zentralen Platz Manamas zerstörten, um die Symbolik dieses Versammlungsplatzes zu beseitigen.
Autoritäre Regime kooperieren auf vielfältige Art und Weise aktiv miteinander. Analysiert wird dies insbesondere in internationalen Gremien, in denen autoritäre Regime vorherrschen. Regionalorganisationen spiegeln oftmals die geografische Häufung autoritärer Staaten. Prominente Beispiele sind die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit oder der Golfkooperationsrat (GKR). Ein regional weniger zusammenhängend, aber ideologisch motivierter Zusammenschluss ist die Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika (ALBA).
Die Zusammenarbeit in solchen Regionalorganisationen basiert häufig auf strategischen Interessen in genau definierten Politikfeldern, insbesondere der Wirtschafts- und Sicherheitspolitik. In autoritär dominierten Organisationen scheuen sich Mitgliedsstaaten oftmals davor, nennenswerte Kompetenzen abzugeben. Der Begriff der „Kollaboration“ zwischen autoritären Regimen spiegelt das hier sichtbare Misstrauen und vermeidet die normativ konnotierte Bezeichnung der Kooperation (von Soest 2015).
So wie die Kooperationen von Demokratien als normbasiert wahrgenommen werden, kann man auch die Zusammenarbeit autoritärer Staaten als alternative Normgebung konzeptualisieren. Die Mitgliedsstaaten liefern einander öffentliche Solidaritätsbekundungen und ersetzen so womöglich fehlende westliche Unterstützung. Ein wichtiges Feld, in dem sich diese kompensatorische Funktion zeigt, ist die gegenseitige Entsendung von Wahlbeobachtern. Im postsowjetischen Raum ist es ein beliebtes Mittel, dass Wahlbeobachter der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) den gegebenenfalls kritischen Berichten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein „alternatives“, autokratiefreundliches Narrativ entgegensetzen. Auch bei den Präsidentschaftswahlen in Syrien, die der Diktator Bashar al-Assad am 3. Juni 2014 mitten im Krieg abhalten ließ, waren Wahlbeobachter aus befreundeten Staaten wie Iran, Russland und Venezuela anwesend.
Eine weitere Spielart gegenseitiger Solidarität war im Golfkooperationsrat mit dem Aufkommen der arabischen Aufstände im Jahr 2011 zu beobachten. Die arabischen Monarchien unterstützten einander gegen die Protestbewegungen sowohl mit finanziellen als auch mit militärischen Mitteln. In Bahrain bekämpften vom GKR entsandte Truppen die Demonstranten und ergänzten zu einem kritischen Zeitpunkt die überforderten einheimischen Sicherheitskräfte. Dies sicherte das Überleben der als illegitim betrachteten Herrscherfamilie, die bis heute mit starker Repression gegen anhaltende Proteste kämpft.
Auch ökonomische Kooperation wirkt sich auf Regimestabilität aus. Hierbei zeigte sich, dass Chinas Wirtschaftsbeziehungen mit anderen von Parteien dominierten Autokratien im Großen und Ganzen stabilisierend wirken. In Bezug auf andere Subtypen autoritärer Regime, wie Militärdiktaturen, personalistische oder monarchische Regime, ist dieser Befund jedoch nicht eindeutig und vermutlich nicht kausal (Bader 2015).
Die unterschiedlichen Dimensionen autoritärer Zusammenarbeit illustrieren, wie sich diese Staaten gegenseitig stützen. Was bedeutet dies für den Umgang von Demokratien, insbesondere Deutschlands, mit autoritären Staaten? Zunächst zeigt sich, dass es keine „autoritäre Internationale“ mit der Agenda des expliziten Regimeexports gibt. Das in den Medien oftmals dargestellte Schreckgespenst des Angriffs autoritärer Regime auf die Demokratie scheint daher überzeichnet. Doch selbst wenn Diktaturen ihre Herrschaftsform nicht aktiv verbreiten wollen und eher pragmatisch als ideologisch vorgehen, wirkt die internationale Zusammenarbeit autoritärer Staaten regimestabilisierend. Diese Tatsache hat verschiedene Konsequenzen:
Netzwerke autoritärer Staaten und damit die Option alternativer Verbündeter begrenzen die Möglichkeiten demokratischer Staaten, über Konditionalität die Einhaltung von Menschen- und Bürgerrechten einzufordern. Im Bereich der Diffusion ergeben sich beispielsweise kaum Einflussmöglichkeiten jenseits der Entwicklung und Vorstellung alternativer Politikmodelle. Bei der Dimension des Lernens, die vordergründig auf die Empfängerländer ausgerichtet ist, sind autoritäre Eliten relativ frei in der Auswahl ihrer Vorbilder und entscheiden sich aufgrund von wahr- oder angenommener Ähnlichkeit sowie regionaler Nähe oftmals für andere autoritäre Staaten.
Betrachtet man die Realitäten internationaler Politik von Demokratien, so stellt sich ohnehin die Frage, ob diese gegenüber Autokratien konsequente Strategien beispielsweise der Förderung von Menschenrechten verfolgen. Ihr Handeln lässt daran zweifeln, dass sie ihre proklamierten Prinzipien etwa der guten Regierungsführung oder einer wertebasierten Außenpolitik systematisch in praktisches Handeln umsetzen. Im Umgang mit Autokratien überwiegen häufig ökonomische und strategische Interessen sowie die Furcht vor politischer Instabilität, die mit Veränderungsprozessen, insbesondere Demokratisierung, notwendigerweise einhergeht. De facto nutzen auch demokratische Regime die vier aufgezeigten Mechanismen auf vielfältige Weise und unterstützen damit oftmals allzu bereitwillig autoritäre Herrscher.
Vor diesem Hintergrund lässt sich durchaus von Autokratieförderung durch Demokratien sprechen, wenn externe Beobachter, wie Vertreter der EU, Wahlen in autoritären Regimen trotz Unregelmäßigkeiten und Protesten von Oppositionsparteien lobend anerkennen. Dies geschah etwa nach den Parlamentswahlen in Burundi im Jahr 2010 oder bei den ägyptischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014, als der Putschführer Abd al-Fattah as-Sisi offiziell das höchste Amt übernahm.
Diffusionsprozesse autoritärer Politiken können auch demokratische Regime beeinflussen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Terrorismusbekämpfung, die von Demokratien nach dem Jahr 2001 verstärkt wurde und die viele Autokratien als Legitimation für die Repression politischer Opposition nutzten. Die stetige Ausweitung von Definitionsmerkmalen, die Terrorismus immer weiter fassen und somit auch politische Aktivisten treffen, schwappt von Autokratien zurück in einige Demokratien, deren Qualität sich zunehmend verschlechtert. So lernen Demokratien etwa Praktiken des Polizeieinsatzes von autoritären Staaten. Zuletzt sind die vielfältigen Formen bi- und multilateraler Kooperationen zwischen demokratischen und autoritären Regimen zu nennen. Dies gilt insbesondere für den Sicherheitssektor, wo autoritäre Staaten vom Verkauf von Überwachungstechnologien und Waffensystemen sowie von der Ausbildung oder den Trainingsmaßnahmen für Polizei- und Streitkräfte profitieren und somit Bedrohungen ihrer Herrschaft effektiver bekämpfen können.
Bevor Demokratien die gegenseitige Unterstützung autoritärer Staaten als bedrohliche Aktivitäten einer autoritären Internationalen anprangern, sollten sie zunächst ihre eigene, oftmals herrschaftsstabilisierende Politik gegenüber Autokratien auf den Prüfstand stellen und kritisch reflektieren.
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