GIGA Focus Nahost
Nummer 9 | 2007 | ISSN: 1862-3611
Täglich berichten deutsche und internationale Medien über Anschläge und Tote im Irak. Relativ verborgen vor dem Auge der Öffentlichkeit blieb bislang jedoch das, was durch Besetzung, Gewalt und Zerstörung ausgelöst wurde – die seit 1948 größte Flüchtlingskrise im Nahen Osten.
Analyse:
Laut Angaben des UN-Flüchtlingswerks (United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR) haben seit 2003, als US-amerikanische und britische Truppen in das Land einmarschierten, um das Regime von Saddam Hussein zu stürzen, rund 4,5 Millionen Iraker ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Ein Teil der Vertriebenen sucht Schutz vor anhaltender Verfolgung, Gewalt und Unterversorgung in anderen, als „sicherer“ geltenden Provinzen innerhalb des Irak. Die meisten der ins Ausland geflüchteten Iraker leben in Syrien und Jordanien. Allerdings hat Jordanien die Grenze zum Nachbarland schon vor geraumer Zeit praktisch dicht gemacht. Als letzter Zufluchtsort hat nun auch Syrien die Einreisebestimmungen für Iraker massiv verschärft.
Aktuellen Angaben zufolge beläuft sich die Anzahl der irakischen Flüchtlinge in Jordanien auf etwa 750.000 und in Syrien auf über 1,5 Millionen Personen. Nicht einmal 5 % der irakischen Flüchtlinge schafften es nach Europa, die USA oder andere Länder der Welt außerhalb des Nahen Ostens.
Brachten viele der ersten Flüchtlinge aus der irakischen Mittel- und Oberschicht Vermögen mit sich und trieben damit in nicht unerheblichem Maße Konsum und Investitionen in den Aufnahmeländern an, verfügen die in jüngerer Zeit Geflohenen häufig über kaum mehr Mittel.
Mit einem flüchtlingsbedingten Zuwachs der Bevölkerungen in Syrien und Jordanien um rund 8 % bzw. 13 % wächst der Druck nicht nur auf die Infrastruktur sowie die Gesundheits- und Bildungssysteme der beiden Nachbarländer; auch ihre wirtschaftliche und soziale Stabilität wird wegen massiver Preissteigerungen, des Drängens der Flüchtlinge auf den informellen Arbeitsmarkt und der Belastung der Staatshaushalte zunehmend in Mitleidenschaft gezogen.
Trotz Aufrufen des UNHCR und anderer Organisationen lassen vor allem die USA und Großbritannien, aber auch andere Geberländer Jordanien und Syrien mit dem Flüchtlingsproblem so gut wie allein. Die Folge ist, dass beide Länder die letzten Ventile für die Verhinderung einer humanitären Katastrophe im Irak schließen.
Zorob, Anja (2007), Flüchtlingskrise im Nahen Osten: Syrien und Jordanien überfordert, GIGA Focus Nahost, 9, Hamburg: German Institute for Global and Area Studies (GIGA), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-277151
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