Kurz notiert | 22.02.2017
Das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) gewinnt durch die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wieder verstärkt an Aufmerksamkeit. Doch das Konzept und dessen Umsetzung sind umstritten.
Die freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen, ihre Geschäfte im Rahmen von CSR nachhaltig zu gestalten, ist umstritten. Hierzulande wird das Konzept oft als „Green Washing“ bezeichnet und die Aktivitäten werden als unzureichend kritisiert.
Zunächst muss man sich in Erinnerung rufen, wie die Idee von CSR zustande gekommen ist. Umweltbewegungen und soziale Akteure vor allem aus den Industriestaaten hatten transnationale Konzerne, die in Entwicklungsländern arbeiten, für die Produktions- und Arbeitsbedingungen und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt kritisiert. Die Kritik richtete sich aber auch an Regierungen, die etwas unternehmen sollten, um zum Beispiel eine totale Verschmutzung der Flüsse oder der Luft zu verhindern. Der UN-Generalsekretär trieb dann den UN Global Compact voran, durch den eine Koordination der Selbstverpflichtung zu mehr Nachhaltigkeit von den beteiligten Staaten und den großen Unternehmen erreicht werden sollte. Das intensivierte die internationale Diskussion und führte dazu, dass mehr Druck auf die Unternehmen ausgeübt wurde, etwas zu tun.
Wie wurde darauf reagiert? Gab es Unterschiede in Industrie- und Entwicklungsländern?
Gerade die Entwicklungsländer und vor allem auch die aufstrebenden Schwellenländer versuchten, ihre Souveränität zu erhalten und zu stärken. Sie wollten Einflüsse von internationaler Seite und noch mehr von nicht-staatlicher Seite in Bezug auf die Setzung bestimmter Normen abwehren. Da entstand also ein Widerspruch. Auf der einen Seite wurde Druck ausgeübt, und internationale Konzerne waren häufig durchaus bereit, etwas in Richtung CSR zu unternehmen. Aber von Seiten der Regierungen in den wichtigeren Entwicklungsländern wurde das sehr skeptisch gesehen, weil sie eben eine Intervention durch internationale Organisationen beziehungsweise Großunternehmen in ihre Angelegenheiten befürchteten.
Warum diese Skepsis?
Unternehmen in Entwicklungsländern sind aufgrund von technologischen Faktoren und der Ausbildung der Arbeitskräfte im Allgemeinen weniger wettbewerbsfähig als ihre Konkurrenten aus den Industrieländern. Dies können sie aber ausgleichen durch niedrigere Löhne, mehr Arbeitsstunden und weniger Kosten im Hinblick auf Umwelterhaltung. All das, was bei uns wichtige Faktoren von nachhaltiger Produktion sind, also regenerative Energien, Reduktion von Wasserverschmutzung und so weiter, führt unter den Bedingungen von Entwicklungs- und Schwellenländern zu einer Steigerung der Produktionskosten, zumindest kurz- bis mittelfristig.
Prof. Joachim Betz und Sie schreiben in dem von Ihnen herausgegebenen Sonderheft der Zeitschrift „International Journal of Business Governance and Ethics“ zum Thema „Corporate Social Responsibility, Transnational Norm-Building and Emerging Economies“ in diesem Zusammenhang von einem “versteckten Protektionismus“.
Protektionismus bedeutet, dass durch Zölle Importwaren teurer werden und somit die nationalen Waren wettbewerbsfähiger sind. Durch die Maßnahmen im Rahmen von CSR würden Produkte aus den Entwicklungsländern gegenüber den Produkten aus den Industrieländern teurer und somit weniger wettbewerbsfähig werden. Somit wäre das eine Form von Protektionismus. In diesem Fall ist es kein Protektionismus in Form von Zöllen, sondern eine Verteuerung von Produktionsfaktoren durch nachhaltigkeitsorientierte Politik. Es hat letztendlich aber den gleichen Effekt.
Welche Bedeutung kommt CSR bei der Umsetzung der Agenda 2030 zu?
Die Agenda 2030 nimmt uns alle in die Pflicht – als Bürger wie als Verbraucher. Wenn zum Beispiel von den Konsumenten ökologisch angebaute Lebensmittel stärker nachgefragt werden, steigt auch das Interesse der Unternehmen, diese zu produzieren. Wenn man die Nachhaltigen Entwicklungsziele erreichen will, kann das nicht nur durch staatliche Regulierungen passieren, sondern muss letztlich von allen beteiligten Akteuren vorangetrieben werden. Es benötigt eine Veränderung des gesamten normativen Systems und dazu gehört natürlich auch CSR. Je mehr CSR zu einem Wettbewerbsfaktor wird und die Kunden es positiv honorieren, wenn eine Firma aktiv in diesem Bereich ist, umso mehr lohnt es sich für Unternehmen natürlich auch, solche Maßnahmen zu übernehmen.
Publikation: Prof. Dr. Joachim Betz & Prof. Dr. Wolfgang Hein, „Corporate Social Responsibility, Transnational Norm-Building and Emerging Economies”, Themenheft der Zeitschrift 'International Journal of Business Governance and Ethics', Bd.10 Heft 3/4, 2015.